Standpunkt

Digitalisierung und die Chance auf mehr Gerechtigkeit in der Welt


Franz Josef Radermacher, Mitglied im Club of Rome, setzt sich im Econo-Standpunkt kritisch mit den bislang wenig beachteten "grünen" Aspekten rund um das Internet und der davon ausgehenden Revolution auseinander.

Die Digitalisierung der letzten 50 Jahre, das Internet und die damit einhergehende Globalisierung haben in relativ kurzer Zeit die Welt verändert wie keine Technologie zuvor. Menschen wurden vielfältige neue Möglichkeiten eröffnet und die Welt der Wirtschaft durcheinandergewirbelt.

Wirksam ist dabei seit Jahrzehnten Moore´s Law, also die Vertausendfachung der Leistungsfähigkeit und Effizienz im Bereich elementarer Rechenoperationen alle 20 Jahre. Maschinen erbringen dabei heute zum Teil erhebliche Intelligenzleistungen, wobei sie das zum Teil auf einem ganz anderen Wege tun als wir Menschen. Das Internet der Dinge wird dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit der Maschinen massiv zu steigern.

In Form des Plattform- oder Informationskapitalismus sind in den letzten Jahren vollkommen neue Geschäftsmodelle eines disruptiven Typs entstanden, die in kürzester Zeit einige der werthaltigsten und innovativsten Unternehmen der Welt hervorgebracht haben. Vielen Menschen wurden dabei neue Lebens-, Entfaltungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet, wobei - wie das bei Innovationen häufig der Fall ist - andere ihr Geschäftsmodell oder ihren Arbeitsplatz verloren haben und erleben mussten, wie ihr Know-how entwertet wurde. Viele ganz Arme haben über Mobiltelefonie und mobiles Internet Anschluss an die große Welt gefunden, sich international vernetzt und sind Partnerschaften eingegangen, die sonst nicht möglich gewesen wären.

Fragt man nach der ökologischen, der grünen Seite dieser Revolution, dann gab es erhebliche Effizienzgewinne, aber in der Summe eben mehr und nicht weniger Probleme. Immer wieder schlägt der Bumerang-Effekt zu. Immer mehr Reisen, Planungen, Aktivitäten von immer mehr Menschen und die damit verbundenen Transportvorgänge erzwingen immer größere Materialverbräuche, oft zu Lasten der Ärmsten.

Dies ist die Alternative zu der früheren Welt mit einem "langsameren" Leben, mit weniger Erlebnissen, weniger Menschen, weniger Wohlstand, aber eben auch mit geringeren Gesamtbelastungen der Umwelt.

IT und das Internet stehen insofern im Zentrum eines Wachstumsprozesses, der insbesondere die Explosion der Weltbevölkerung und immer mehr Aktivitäten von immer mehr Menschen hervorbringt. Dieser dominierende Trend ist bisher weder grün noch sozial-inklusiv geprägt, sondern trägt zu einer zunehmenden Umweltzerstörung, immer größeren Klimaproblemen, mehr Ungleichheit auf der Ebenen der einzelnen Staaten bei. Es entstehen Verlierergruppen. Und soziale Medien entwickeln ihre eigene Dynamik bezüglich der Frage, wie dann damit politisch umzugehen ist.

Anders ausgedrückt: Wenn die IT Revolution zu mehr Gerechtigkeit auf der Welt beitragen soll, also zu einer sozial ausgewogenen und "grünen" Zukunft, bedürfen die globalen Effekte der IT und des Internet einer globalen Regulierung und einer Global Governance, die sozialen Ausgleich fördert und konsequent die Umwelt schützt, auch in internationalen Konkurrenzprozessen in Märkten. Dazu müssen unter anderem die Umweltkosten konsequent in das (welt-)ökonomische System inkorporiert werden. Das fehlt heute. Deshalb ist die Zukunft in diesem Bereich eher schwierig. Es gibt Chancen, aber noch viel mehr Risiken.

Der Autor Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher ist Vorstand des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung/n, zugleich Professor für Informatik an der Uni Ulm, Präsident des Senats der Wirtschaft e.V., Bonn, Vizepräsident des Ökosozialen Forum Europa, Wien, sowie Mitglied des Club of Rome. 

Radermacher spricht auch beim 13. Freiburger Mittelstandskongress Anfang Oktober im Konzerthaus.

Foto: PR

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