Foto: Jigal Fichtner für econo

Spitzenreiter

Als Biathlet hatte Michael Ganter olympisches Potenzial, als Unternehmer wollte der gelernte Schreiner nie weniger als eine Revolution – er hat sie geschafft.

Er ist ein Relikt aus einer anderen Zeit: der Zeitungsartikel, mit dem Michael Ganter erstmals an die Öffentlichkeit ging. "Auf eigenen Füßen" lautet die Zeile. Das Foto zeigt Ganter mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck an einem hässlichen Schreibtisch und mit einem noch hässlicheren Hemd, bunt gemustert mit kurzen Ärmeln. "Die Mode hat sich mit der Zeit geändert", sagt Michael Ganter 20 Jahre später schmunzelnd.

Er trägt einen schwarzen Anzug, mit weißem Hemd, den Kragen offen, keine Krawatte. Die Brille ist dezenter geworden, die Frisur gepflegter. Er ist elegant. Aus der Wohnzimmerfirma von einst ist eine internationale Unternehmensgruppe mit Tochterfirmen in fünf Ländern geworden. Michael Ganter hat den Ladenbau revolutioniert. Er hatte als einer der Ersten die Idee, ein Ladenbauer zu sein, der nicht baut. Denn Fertigungen binden Kapital.

Obwohl er selbst gelernter Schreiner ist, beschäftigt er keine Schreiner und Raumausstatter. Jedenfalls nicht, um Möbel zu bauen. Er hat keine Lagerhallen, Showrooms oder Maschinen, die nicht stillstehen dürften. Aber auch den Architekten kommt er nicht in die Quere. Die Pläne für neue Projekte stammen von den Kunden und deren Partnern. "Wir bekommen die Aufträge von den Architekten. Wir sägen nicht am Ast, auf dem wir sitzen."

Ganter war einer der ersten Generalunternehmer im Ladenbau. Ein Projektierer mit dem Anspruch, Individualität zu schaffen, wo andere nur Lochplatten mit ­Warenträgern bestückten. Ganters Kunden gehören zu den anspruchsvollsten der Welt. Es sind Luxusmarken wie De Beers, Prada, Louis Vuitton oder Tom Ford. Für sie übersetzt er Ideen in Aufträge, macht aus schönen Zeichnungen und Computergrafiken ein laufendes Projekt.

Er führt einen kurzen Film zu einem neuen Shop von Dior vor. Die im Zeitraffer gefilmten Menschen bewegen sich wie ferngesteuert. Nichts sieht nach Zufall aus. Über allem steht ein Plan. "So ein Projekt in sechs Wochen zu stemmen - das beeindruckt die Kunden", sagt Ganter. Der Anfang war klein und mühsam. Sein Konzept ließ sich schwerer vermarkten als angenommen. Die Kunden waren skeptisch, sahen in ihm einen Zwischenhändler, der nur die Rechnungssumme nach oben treibt. Dann beweist er das Gegenteil.

Dabei helfen ihm große Namen. "Der Durchbruch war damals ein Auftrag von Porsche Design", erinnert Michael Ganter sich. "Es war kein großer Umsatz, aber eine exzellente Referenz." Gerade hat er mit Porsche ein Projekt in China erfüllt. Bereits vor zehn Jahren stellte er die Zeichen auf Internationalisierung. Aus Ladenbau Ganter wurde Ganter Interior. Die Zahl der Mitarbeiter steigt von 21 im Jahr 2004 auf 167 im Jahr 2008. Heute sind es 353. Der Umsatz hat sich verzehnfacht - von 12,8 auf 126 Millionen Euro.

Seiner beruflichen Heimat Waldkirch ist Ganter immer treu geblieben. Nach den Anfängen im Wohnzimmer zieht er 1996 in die Fabrik Sonntag, eine Gründeroase. Vier Jahre später kauft Ganter das alte Kraftwerk im Ortsteil Kollnau und baut es zu einer hippen Ideenfabrik um. Rund 250 Mitarbeiter sitzen jetzt hier.

Ganter ist früher Leistungssportler gewesen. Als Biathlet gehört er der Sportfördergruppe der Bundeswehr an. Das bedeutet konkret: Man traute ihm das Zeug zum Olympio­niken zu. Andere waren stärker. "Fritz Fischer war einer meiner Konkurrenten." Heute ist Ganter 50 Jahre alt, zweifacher Familienvater und Unternehmer aus Überzeugung. Ein bisschen auch ein Patriarch. Einen Betriebsrat etwa gibt es in seiner Firma nicht. Ganter: "Es war immer mein Anspruch, die Dinge so zu regeln, dass ein Betriebsrat gar nicht nötig ist."

Das Porträt erschien zuerst in der Ausgabe August 2014 von econo.

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