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Hausbauprofi

Johannes Schwörer ist Chef des Fertighausherstellers Schwörer. Er hat keine Sekretärin, ist ein Sportfreak und hatte was anderes vor.

Mit Getöse rangiert der Lastzug rückwärts auf die Waage vor der verglasten Front des Besprechungsraumes am Stammsitz von Schwörer Haus. Der Auflieger ist mit Teilen für ein Gebäude beladen, wird für den Transport auf die Baustelle bereitgestellt.

Johannes Schwörer blickt kurz über die linke Schulter hinunter zu dem rangierenden Gefährt, sein rechter Arm ruht locker auf der Lehne des Nachbarstuhls. Er plaudert entspannt über geschäftliche und private Themen, sein Blick ist intensiv, die Stimme ruhig. Ob nach zwei Stunden Unterhaltung nicht allmählich die Pflichten rufen? Der Nachmittag ist jung, die Woche nicht zu Ende. Für einen Geschäftsführer damit beste Arbeitszeit. Schwörer winkt ab, nimmt noch einen Schluck Kaffee.

Er hat nicht den Habitus des Getriebenen, den viele Chefs pflegen. Schwörer hat auch keine Sekretärin, die ihm Sachen hinterherträgt, den Kalender verwaltet und Mails schreibt. "Das wäre mir irgendwie unangenehm, so bin ich nicht erzogen worden." Was nicht bedeutet, dass er nicht delegieren kann. Aber warum sollte er jemanden benötigen, der seine Post öffnet, wenn es doch eine zentrale Poststelle gibt? Und warum sollte eine an ihn gerichtete Mail nicht auch von ihm beantwortet werden? "Der Aufwand ist doch am Ende geringer. Außerdem habe ich mich als Student auch um alles selbst kümmern müssen."

Man kann es auch so sagen: Schwörer hatte gar keine Zeit, sich Allüren anzueignen. Der gebürtige Stuttgarter studiert Anfang der 90er-Jahre in seiner Heimatstadt Jura, sein Ziel ist eine Stelle in der Finanzverwaltung. Ein guter, solider, ruhiger Posten eben. 1994 steckt er mitten im Referendariat am Oberlandesgericht Stuttgart, als ihn sein Onkel Hans Schwörer aus der Klinik heraus um einen Besuch bittet. Der Onkel macht sich Sorgen um die Zukunft. 1950 hat Hans Schwörer einen Baustoffhandel gegründet, vier Jahre später ein Fertigteilwerk aufgebaut. 1966 gab es das erste Schwörer Haus und bis zum Krankenhausaufenthalt hatte sich der Baustoffhandel bereits zu einer schier unübersehbaren Gruppe gemausert - die heute mit rund 1850 Mitarbeitern an acht Standorten und einem breiten Leistungsspektrum kaum übersichtlicher ist. Schwörer: "Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass mein Onkel mich ins Unternehmen holen könnte."

Bei verwandtschaftlichen Treffen ging es um die üblichen Themen, aber nie um eine Nachfolge. Für Schwörer geht es in diesem Gespräch nicht nur um eine Lebensplanung, sondern auch um den Lebensmittelpunkt. Raus aus Stuttgart, hin zum Firmensitz Hohenstein-Oberstetten, mitten hinein ins Ländlichste des Landkreises Reutlingen.

Als er 1994 das Krankenhaus nach dem Besuch beim Onkel verlässt, hat Johannes Schwörer ein anderes Leben und vier Jahre später die Geschäftsleitung. Er überstürzt aber nichts: Zunächst macht er das zweite Staatsexa­men, für alle Fälle. Schwörer neigt bis heute zur Vorsicht.

Eine Eingewöhnungszeit braucht er hingegen in der Firma nicht. Er hat seine Vorstellungen, die versteht er auf Anhieb in seiner ruhigen Art klar zu vermitteln. Zu den ersten Dingen, die er ändert, gehört die Konferenzkultur: "Ich halte nichts davon, dass einer redet und sich 18 berieseln lassen." Effizienz ist sein Zauberwort. Anders ließe sich sein Pensum auch nicht halbwegs bewältigen.

Schwörer hat als Geschäftsführer den entsprechenden Zwölf-Stunden-Tag, er steht an der Spitze des Branchenverbandes und ist Vizepräsident der IHK. Immer selektiert er gnadenlos, welche Termine er annimmt. "Ich eigne mich nicht als Grüß-Onkel und muss nicht mein Ego pflegen." Stattdessen setzt er die gewonnene Zeit anders ein: Mittags geht er in drei Minuten hinüber in sein Wohnhaus und isst mit der Familie. Er spielt Geige, lernt aktuell noch Saxofon und Klavier - hat dabei verständige Lehrer, die sich an seinen Zeitplan anpassen. Schwörer übt sich auch in Karate, treibt generell exzessiv Sport. "Eigentlich schon immer." Das Mountainbike ist in der ländlich-hügligen Idylle der Alb ein gerne genutztes Sportgerät - auf Tour nimmt er schon mal Journalisten mit, denen er am Ende der 40 Kilometer langen Runde das Gefühl gibt, er habe sich gut verausgabt.

Schwörer ein Adrenalin-Junkie? So wie viele Manager? "Nein", winkt er ab. Ihm gehe es um etwas anderes: "Zufriedenheit und Selbstbestätigung." Dabei steckt er sich selbst die Grenzen jedes Mal neu. "Wenn ich es dann geschafft habe, dann ist es ein klasse Gefühl!" Glückshormone pur eben. Schwörer ist dabei kein verbissener Wettkämpfer, der sich über einen zweiten Platz ärgert. "Ich kann anderen den Erfolg gönnen. Das gilt übrigens auch im Wirtschaftsleben."

Zum wiederholten Mal rangiert ein Lastzug mit Getöse auf die Waage. Weit breitet sich das Gelände für den Hauptsitz vor dem Besprechungszimmer aus. Die Wegweiser würden von den Ausmaßen her auch in eine Großstadt passen. In den weitläufigen Hallen entstehen die Bauteile für die Fertighäuser. 270 Millionen Euro plant Schwörer dieses Jahr an Umsatz, gut 20 Millionen mehr als im Vorjahr. Die niedrigen Zinsen bescheren der Branche einen Boom.

Doch Schwörer verfällt nicht in Euphorie. Dafür hat er drei Gründe: Erstens hat er die Baukrise in den 2000er-Jahren mitgemacht. Kurz zuvor hat ihn sein Onkel davor bewahrt, den US-Markt anzugehen. "Das hätte uns das Genick gebrochen." Zweitens ist der Markt gesättigt, Anbieter drängen dennoch mit Dumpingpreisen hinein. Schwörer baut hingegen Standbeine auf wie das mehrgeschossige Bauen und die Wohnmodule "Flying Spaces" und erntet mit Projekten wie dem "Lebensphasenhaus" in Tübingen Aufmerksamkeit. Drittens ist die Ertragskraft der Gruppe noch nicht so, wie sie sein müsste, um eine weitere Krise zu überstehen. Diesen Sinn für die Finanzen hat er sich aus seinem alten Leben bewahrt.

Das Porträt erschein zuerst in der Ausgabe 40/41 von econo.

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