Foto: Jigal Fichtner für econo

Er. Geht. Ganz.

War es Zufall oder glückliche Fügung? Bernd Seeburger hatte nicht geplant, Unternehmer zu werden. Doch die Zeit machte ihn dazu. Jetzt – drei Jahrzehnte später – ist Schluss. Aber richtig Schluss.

Bernd Seeburger ist anders. Viele Unternehmer haben am Ende ihrer Karriere vor allem ein Problem: loszulassen. Nach Jahrzehnten im Unternehmen, das sie selbst aufgebaut und entscheidend geprägt haben, sind sie alles für die Firma – Stratege, Verkaufschef, Erfinder. Doch der IT-Unternehmer aus dem nordbadischen Bretten sagt über sich: „Ich bin entbehrlich.“ Ihn zeichnet eine gesunde Distanz zur eigenen Lebensleistung aus. Und zum Ende des Jahres geht er. So ganz. Die übrigen Vorstände übernehmen das Geschäft, seine Tochter rückt in den Aufsichtsrat. Bernd Seeburger wird noch Hauptaktionär der AG sein. Es drängt sich die Frage auf: Was macht das mit ihm?

Rückblick. Drei Jahrzehnte ist es her, dass der junge Bernd Seeburger vom IT-Leiter in einer nordbadischen Gießerei zum Unternehmer wurde. Die Gießerei, die es heute nicht mehr gibt, war damals Zulieferer von Opel. Und der Autobauer wollte den Datentransfer zwischen seinem Zulieferer und dem Werk vom Papier auf den Computer verlagern. „Die Auftragslisten gelten für sechs Monate im Voraus, werden aber wöchentlich, manchmal sogar täglich aktualisiert“, erklärt Seeburger. Damals wurden die Listen per Post versandt und dann von Hand erfasst. Manchmal war die Liste überholt, bevor sie in den Computer eingegeben war. Eine Sisyphusarbeit mit obendrein hoher Fehlerquote.

Als dann in den 1980er-Jahren die Japaner ihre Autos nach Europa verkauften, bauten sie quasi alles in die Autos ein. Deutsche Hersteller setzten hingegen auf individuelle Ausstattung. Farben, Extras, Varianten. Dafür brauchte es einen besseren Datentransfer. Seeburger übernahm das Projekt und entwickelte eine Software, die so gut lief, dass Opel die anderen Zulieferer zur Gießerei schickte, damit sie sich von Seeburger beraten ließen. So wurde sein Unternehmen geboren.

Seeburger baute seine Firma aus dem Dachgeschoss der eigenen Wohnung auf. Heute hat er 670 Mitarbeiter in mehr als 20 Ländern. In Bretten sind es mehr als 200 Mitarbeiter. In Bulgarien sitzt eine größere Entwicklungsgesellschaft mit 140 Leuten. Der Umsatz hat sich seit 2005 verdoppelt und liegt heute bei 70 Millionen Euro. „Es gibt genügend Märkte, auf denen wir wachsen können“, sagt Seeburger. Ihn brauche man dafür aber nicht.

Seine Gelassenheit rührt auch daher, dass er weiß, wie der Umsatz in drei Jahren sein wird. „Wir haben 10.000 Bestandskunden“, sagt Seeburger. In der Autoindustrie ist Seeburger breit vertreten, auch bei Lebensmittelherstellern und  in der Versorgungswirtschaft. Die Kunden zahlen dafür, dass die Software läuft. Auch bei den Cloud-Diensten binden sie sich langfristig. „70 Prozent unseres Umsatzes sind fix“, sagt Seeburger. 

Und der Umbruch? „Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, dann hätte ich gesagt: Ich werde die Firma verkaufen.“ Doch dann meldeten sich seine Kinder zu Wort. Sie waren dagegen. Seeburger nahm sie in die Pflicht. Sein Sohn Jan, 32, ist aus Australien zurückgekehrt und arbeitet jetzt als Entwickler im Unternehmen. Die Tochter Katrin, 34, ist Lehrerin von Beruf. Sie rückt in den Aufsichtsrat. Die beiden, so Seehofer, werden sich nur durchsetzen können, wenn er sich zurückziehe. „Was soll ich da im Aufsichtsrat sitzen, wo alle nur auf mich gucken und fragen: Was sagt der Alte jetzt?“ Stattdessen hat er über eine Agentur eine weibliche Aufsichtsratschefin gesucht, die seine Tochter coachen soll. Die Wahl fiel auf Simone Zeuchner, weil sie als Hochschul-Professorin einen guten Draht zur Lehrerin Katrin Seeburger habe. „Ich werde da nicht gebraucht“, sagt Bernd Seeburger. Was er stattdessen machen will? Er grinst. „Gar nichts.“ Das Loslassen kann so einfach sein.

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