Foto: Klaus Eppele für econo

Die Ideologin

Susan Rößner hat Monomeer gegründet, einen Spezialversand für den plastikfreien Lebensstil. Porträt eines ungewöhnlichen Start-ups.

Eine Klobürste ist schuld. Wegen diesen schlichten wie sinnvollen Zubehörs wurde Susann Rößner zur Gründerin. Die Konstanzerin muss lachen, als sie ihren Werdegang auf diese einfache Formel bringt. Doch am Ende ist es eben dieser schlichte Zusammenhang: Man erkennt einen Bedarf, denkt kurz, ob es andere auch betreffen könnte, und macht ein Geschäftsmodell daraus.

Doch bei der promovierten Historikerin steckt mehr dahinter, als dieser typische Start-up-Werdegang. Es ist eine komplette Ideologie: Rößner lebt bereits seit einigen Jahren so weit wie möglich plastikfrei. Ausschlaggebend war der Film "Plastic Planet" des Regisseurs Werner Boote, ein Kult-Film der Szene und für viele eine Art Einstiegs­droge für einen neuen Lebensstil.

Rößner selbst verwendet seit knapp einem Jahr denselben gelben Sack – "nicht weil ich ihn immer wieder nutze, sondern weil er nicht voll wird." Bei Veranstaltungen, zu denen sie als Referentin geladen wird, legt sie das schlaffe gelbe Teil gerne auf den Tisch. Als Beweis, was man können würde, wenn man denn wirklich wollte. Genüsslich stellt Rößner dann auch die Flasche eines Fernseh­bieres daneben, um beiläufig da­rauf hinzuweisen, wie viele Par­tikel Mikroplastik sich darin be­finden. "2050 soll es in den Weltmeeren mehr Plastikpartikel geben als Plankton", zitiert sie zudem aus Prognosen.

Keine Frage, an Sendungs­bewusstsein mangelt es der eloquenten Mitt-Dreißigerin mit eigener Streuobstwiese nicht. Doch Ende 2013 reichte ihr das eigene Tun und bloße Darüberreden nicht mehr aus. Und hier kommt die Klobürste ins Spiel. Wer plastikfrei leben möchte, der hat es nicht leicht. Dafür reicht der oberflächliche Blick auf die Regale im Supermarkt.

Klar, Lebensmittel lassen sich auf dem Wochenmarkt in mitgebrachten Utensilien unterbringen. Der Metzger des Vertrauens akzeptiert das ebenfalls. Doch wer ein plastikfreies Deo möchte, der muss lange suchen – selbst im Internet. Denn Umweltversender wie Waschbär aus Freiburg (360 Mitarbeiter, 80 Millionen Euro Umsatz) oder Lifestyle-Anbieter wie Manufactum (400 Mitarbeiter, 75 Millionen Euro) bieten zwar durchaus plastikfreie Produkte. Rößner: "Doch man muss sich alles überall zusammensuchen."

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Wer ein plastikfreies Produkt kauft, der will auch kein Plastik in der Verpackung. "Genau das habe ich mit der Klobürste erlebt", so Rößner. Ein Unding!? Für die Historikerin, die konsequent selbst das kleine Schoko­stückchen zum Espresso verweigert, weil es verschweißt daherkommt, war es Anstoß für die letzte Konsequenz: Sie gründet im November 2013 den Spezialversand monomeer.de.

Hier versammelt sie alle Produkte vom Schreibset bis zur plastikfreien Zahnpasta, versendet ohne Plastik - und wusste anfangs doch nicht recht, auf was sie sich einlässt. Denn Rößner machte zwei Dinge nicht, mit denen Start-ups gemeinhin viel Zeit verbringen. ­Erstens die Marktforschung, zweitens einen Businessplan. Rößner: "Ich habe mich allein auf mein Bauchgefühl verlassen und wollte ohnehin keine fremden Geldgeber." Lieber griff sie die Ersparnisse an – und heimste gleich zum Start ein Preisgeld als Siegerin beim Regional-Cup des "Elevator Pitchs BW" ein.

Seitdem sind knapp zweieinhalb Jahre vergangenen. Der Anfang war zäh, inzwischen läuft es richtig rund. Rößner bedient mit ihrem Angebot offensichtlich den Zeitgeist der urbanen "Hippness". Doch schon steht die Wahl-Konstanzerin vor neuen Herausforderungen: Soll sie den Nebenjob an der Uni aufgeben? 16-Stunden-Tage sind schließlich auf Dauer nicht erbaulich. Soll sie weitere Aushilfen einstellen? Und am Ende sogar die Wachstumspotenziale mit Fremdkapital ausschöpfen? Rößner: "Die Antworten fallen mir nicht leicht. Monomeer lebt von der Authentizität, die darf nicht leiden." Und wenn sie ein anderer Anbieter mit Kapitalstärke vom Markt drängt? Rößner: "Am Ende könnte ich das akzeptieren, weil es die Sache voranbringt."

Das Porträt erschien zuerst in der Print-Ausgabe von Econo im Juli 2016.

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