Foto: Jigal Fichtner für econo

Brecht, Beckett, Bier

Seit fast 30 Jahren führt Carl Glauner die Brauerei Alpirsbacher, dem ältesten Shooting-Star einer weiter schrumpfenden Branche.

Angeklopft haben sie fast alle. Gefragt, ob sich Carl Glauner das vorstellen könne, seine Brauerei Alpirsbacher zu verkaufen. Jenes Unternehmen, das ihm und seiner Familie nun in der vierten Generation gehört. Das er seit nun fast 30 Jahren führt. Carl Glauner lächelt. Dann sagt er: "Es wäre ja schlecht, wenn wir keine Übernahmeangebote bekämen, das hieße ja, wir wären nicht attraktiv." Dann schüttelt er den Kopf. "Aber wir wollen nicht verkaufen. Wir reden nicht mal darüber." Carl Glauner macht weiter sein Ding. Weil er es liebt, dieses Ding zu machen.

Es ist Freitagnachmittag, die warme Frühlingssonne flutet Alpirsbach. In das Besprechungszimmer fliegen immer wieder Wortfetzen aus dem Biergarten der Brauerei. Alpirsbacher ist seit Jahrzehnten ein großer Name in der Branche. "Alpirsbacher gehört zum Schwarzwald wie der Schinken", sagt der Chef selbstbewusst. Und die Marke gehört - und das weckt die Begehrlichkeiten der Großen - seit einigen Jahren wieder zu den Shooting-Stars einer schrumpfenden Branche. Seit Jahren räumt die regionale Brauerei internationale Bierpreise ab. Klar, die Situation in der Branche ist nicht einfach, das weiß Glauner. Der Bierabsatz sinkt, die Rohstoffpreise steigen. Die Branche wird von Konzernen dominiert, das Bierkartell und seine Folgen sind in aller Munde. Die Zahl der kleinen Brauereien sinkt. Das Tempo, in dem sich die Branche verändert, ist enorm.

Glauner weiß um all diese Fakten, aber er jammert nicht. Die Zahlen, Daten, Fakten machen ihm keine Angst, sie spornen an. Glauner hat die Brauerei zu einem Antagonisten geformt: Alpirsbacher macht fast alles anders als der Rest. Beispiel: Rabattschlachten. "Bringen nichts. Unterm Strich wird nicht mehr verkauft." Und so erhöhen die Nordschwarzwälder seit vielen Jahren im festen Rhythmus von zwei Jahren ihre Preise - ohne an Umsatz zu verlieren. "Wir sind nicht die Billigsten. Das können wir auch gar nicht sein. Einfach weil wir die Besten sein wollen." Alpirsbacher betreibt keine Pachtgaststätten, keine eigene Logistik und schließt keine riesigen Bierlieferungs­verträge ab. "Du kannst Zuneigung, Loyalität und Anerkennung nicht vertraglich regeln. Wenn der Kunde sagt: 'Er will uns nicht.' Dann ist das eben so."

Das sagt viel über seine Strategie, und auch über den Menschen Glauner aus. Er hat schon mal auf andere gehört, jetzt vertraut er lieber seinem Bauch­gefühl. In den 1970er-Jahren hat Alpirsbacher große Expansionspläne. Auch er lässt sich davon anstecken, von den Verlockungen des Wachstums. Der deutsche Markt soll erschlossen werden, die Hektoliterzahlen werden gepusht. "Wir haben uns treiben lassen", sagt Glauner. "Das ist uns fast auf die Füße gefallen." Er hat in den 30 Jahren an der Spitze viel erlebt, vieles richtig - und eben einiges falsch gemacht. "Das Gute ist: Man lernt daraus. Man betrachtet die Dinge anders." Die Erfahrung spricht aus ihm: Bereits im Alter von 27 Jahren übernimmt er nach dem Tod seines Vaters den Betrieb. "Manche Dinge soll man nicht infrage stellen. Ich musste hier anfangen, es gab keine andere Wahl", sagt er dann - und meint es dabei weit weniger fatalistisch, als es sich zunächst anhört. Denn klar ist: Das, was er hier tut, ist seine Leidenschaft. Ohne Bedingung.

Dabei hat er eigentlich andere Pläne. Nach dem Abitur studiert er in München Geschichte und Philosophie, jobbt nachts als Parkwächter. "Eine heiße Zeit", sagt Glauner und lacht. Albert Camus und Bertolt Brecht sind seine Lieblingsautoren. Samuel Becketts "Warten auf Godot" hat ihn beeindruckt. Nach einem Semester ist das Abenteuer beendet. Die European Business School ruft. Der vorgezeichnete Weg mit BWL und Co? Nicht ganz. Die Leidenschaft für Bier kann man nicht lernen. Glauner muss das auch nicht. Vielleicht liegt es an den Genen, vielleicht an der Erfahrung, wenn er sagt: "Wir wollen ein perfektes Bier herstellen. Wir sind noch nicht perfekt. Deshalb arbeiten wir dran." Die Welt der Zahlen sieht er skeptisch: "Der Shareholder Value ist nur dann interessant, wenn ich ein Unternehmen verkaufen will", sagt er. "Wenn ich ein Unternehmen selbst führen will, sind die Zufriedenheit der Kunden und der Mitarbeiter entscheidend. Es sind die Menschen, die eine Firma ausmachen. Alles andere? Kannste knicken."

Hintergrund: Alpirsbacher

Die Brauerei hat 2013 ein Absatzplus von 2,1 Prozent auf 180.000 Hektoliter erwirtschaftet - während der der Bierbranche deutschlandweit um 2,1 Prozent schrumpfte. Der Umsatz der Nordschwarzwälder liegt bei 21 Millionen Euro. Alpirsbacher beschäftigt mehr als 80 Mitarbeiter und hat 2012 laut Bundesanzeiger ein operatives Ergebnis von mehr als zwei Millionen Euro erwirtschaftet. Das Unternehmen wird seit 1880 in der vierten Generation von der Familie Glauner geführt und ist eine von nur elf Klosterbrauereien in Deutschland. Kernmärkte sind Baden-Württemberg, Südtirol und das Elsass.

 

Das Porträt erschien zuerst in der Ausgabe Mai 2014.

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