Standpunkt

Das Gespenst des Protektionismus


Die Gegner des freien Handels sind vielfältig und finden sich in den USA ebenso wie in Europa. Ihnen rät Christoph Münzer, Chef des Wirtschaftsverbandes WVIB, einfach mal genauer hinzuschauen.

Ein Gespenst geht um in der Welt. Das Gespenst des Protektionismus. Wie konnte der totgeglaubte Spuk vom sich selbst genügenden Nationalstaat sich plötzlich wieder in unser aufgeklärtes Denken stehlen? Alle Welt scheint über Nacht zu glauben, dass der Bau von Mauern aller Art besser für die Wirtschaft ist als offene Grenzen. Der Wunsch nach Protektionismus – wir übersetzen das Wort einmal mit "Beschützerei" – speist sich aus mehreren Quellen!

Da gibt es zum einen die eher linken Aktivisten rund um Attac & Konsorten. Globalisierungsgegner behaupten, dass Welthandel grundsätzlich etwas Anrüchiges ist, weil er angeblich Ungleichheit verstärkt, Ausbeutung ermöglicht, ökologisch problematisch ist und nur Großkonzernen nützt. Je weniger Handel, desto besser für Mensch und Umwelt, lautet das Fazit der Protest-Bewegung. Diese Sicht ist leider auch in Teilen unserer Wohlstandsgesellschaft verbreitet.

Kritik an offenen Grenzen kommt auch von rechts. Ausland und Ausländer sind da immer eher gefährlich. Lieber Kinder statt Inder, Deutschland den Deutschen. Aber auch Polen und Ungarn sind nicht gefeit. Interessant ist: Vor allem in den Regionen, die von Weltmarkt und Migration kaum berührt sind, findet sich diese eingebildete Globalisierungsangst.

Schließlich gibt es die Fraktion der enttäuschten früheren Globalisierungsgewinner. Make America great again – so wie es aussieht, führt der Weg der größten Volkswirtschaft der Welt wieder zurück in die Isolation der Monroe-Doktrin vor dem 1. Weltkrieg. Damals waren die USA aber noch lange keine Weltmacht, sondern eine erfolgreiche ehemalige Kolonie. Groß wird und bleibt ein Land nur, wenn es eine offene und internationale wettbewerbsfähige Volkswirtschaft im Rücken hat. Dies zeigt der Aufstieg der USA zur Weltmacht im letzten Jahrhundert, der nun zu einem Ende kommt. Wer aber den Rollladen runterlässt, ist weder groß noch schön!

Der Befund ist klar: Gegen Globalisierung und für Protektionismus sprechen die unklaren Gefühle vieler Menschen, die sich fürchten oder sich betrogen fühlen - auch weil die oben genannten Aktivisten systematisch Neid und Ängste schüren. Für einen liberalen Welthandel, offene Grenzen sprechen alle Fakten und Erfahrungen der letzten 200 Jahre. Unser unglaublich angewachsener Wohlstand beruht auf nichts anderem als auf offenen Grenzen. Protektionismus hat nie dauerhaft funktioniert, weil die Welt längst zu klein für eine mittelalterliche Selbstversorgermentalität geworden ist. Isolation ist das Problem, nicht die Lösung. Diese Binsenweisheiten müssen wieder besser erklärt werden.

Man liegt allerdings auch nicht falsch, wenn man feststellt, dass die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze von Demokratie, Marktwirtschaft und Welthandel erneuert werden müssen – immer wieder. Auch Europa hat sich lange um die Frage gedrückt, auf welchen Werten es letztlich beruht. Die Diskussion hat begonnen. Nach dem Brexit, der US-Wahl, dem italienischen Referendum kommen nun Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland auf uns zu. Populisten reiben sich die Hände, aber vermutlich freuen sie sich zu früh. Es spricht sich langsam herum, dass rückwärtsgewandte Nationalstaats-Parolen keinem Menschen wirklich helfen. Und schon gar nicht denen, die wirklich arm dran sind.

Foto: PR

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