„Wir wollen das ‚iTunes‘ für VR werden“

Europa-Park- und Mack-Next-Geschäftsführer Michael Mack im Econo-Interview über seinen Stolz, dass ein 240 Jahre altes Unternehmen technologische Grenzen verschiebt, wer die neuen „Yullbe“-Angebote bezahlt, die Investitionen im Elsaß und warum bei einem Hotel ein Stockwerk fehlt

 
Foto: Europa-Park
 

Rust. Herr Mack, die neueste Attraktion "Yullbe" wurde ohne Pauken und Trompeten eröffnet. Im Europa-Park hätte ich eigentlich erwartet, dass ein Feuerwerk abgebrannt wird... Ist das Corona geschuldet?

Michael Mack:
Das hat sicherlich eine Rolle gespielt. Aber wir sprechen bei "Yullbe" nicht über eine Achterbahn mit Kapazitäten im Tausenderbereich. Diese Attraktion hat eine Obergrenze von nur 50 Personen pro Stunde. Zudem ist es ein Prototyp, der mit einem engem Zeitplan entstanden ist. Außerdem ein Zusatzangebot, das nicht im Eintrittspreis des Europa-Park inkludiert ist. Vielleicht hatten wir auch Respekt davor, überlaufen zu werden, wenn wir es zu stark promoten. Aber keine Sorgen, wir haben auch eine Opening-Party in unserem Stil durchgeführt, unter Einhaltung der Corona-Auflagen.

Gehen wir noch mal einen Schritt zurück. Mack-Next wurde vor gut einem Jahr gegründet. Was kann diese Gesellschaft, was Mack-Media nicht kann?

Mack:
Bereits 2001 war es mein Wunsch eine Organisationsstruktur aufzubauen, die neben dem Tagesgeschäft über den Tellerrand schauen darf. Mack-Media ist stark ins Tagesgeschäft eingebunden, die Mitarbeiter müssen dafür sorgen, dass die Filme laufen, die Kapazitäten stimmen... In einem Freizeitpark gibt es so viele Dinge, die parallel zu organisieren und koordinieren sind. Mack-Next ist daneben eine kleine, feine Entwicklungsabteilung, die Kompetenzen aus allen existierenden Bereichen bündelt. Von unserer Bauabteilung bis zu Softwareingenieuren haben wir ein Team von 25 Personen zusammengeholt, die bereichsübergreifend zusammenarbeiten. Die technische Entwicklung von "Yullbe" war in Kaiserslautern bei VR Coaster angesiedelt und der Verantwortliche hatte den Rücken frei, um das Projekt voranzutreiben. Wäre er parallel verantwortlich im Park gewesen, müsste sich um Besucherlenkung und Mindestabstände kümmern und würde dann von den Kollegen auf einen Bug im Quellcode hingewiesen, dann wäre das nichts geworden. Deshalb hat sich eine neue Struktur bewährt.

Wo ist Mack-Next angesiedelt?

Mack:
Momentan befinden wir uns in der Phase 1.0, sprich das Team ist ausgegliedert aus dem Tagesgeschäft. Die 25 Personen sitzen hier in Rust und treiben die Aktivitäten voran. Der Maschinenbauingenieur muss also nicht an eine Bahn rennen, sondern darf weiter am Konzept der Zukunft grübeln. Zudem holt man bei Bedarf virtuell Fachleute wie Drehbuchautoren, IT-Supportteams, Designfirmen hinzu.

Wie weit sind die Planungen für den Mack-Next-Standort im elsässischen Plobsheim?

Mack:
Da geht es stetig voran. Frankreich ist nicht unbedingt das einfachste Land, um eine Baugenehmigung zu erreichen... Wir haben ein wunderschönes Grundstück in der Nähe des Golfplatzes Kemperhof, leider ist es eine Agrarfläche und muss in ein Baugebiet umgewandelt werden. Da heute ketzerisch gesagt Bäume und Vögel wichtiger sind als Wirtschaft ist das Verfahren aufwändig. Wer den Europa-Park kennt, weiß, wir haben immer nachhaltig und im Einklang mit der Natur gewirtschaftet.

An den geplanten vier Millionen Euro Investitionssumme halten Sie fest?

Mack:
Wir werden die Summe in zwei Tranchen investieren, die erste hoffentlich im Jahr 2021. Wer unsere Familie kennt, der weiß, wir werden nicht auf einen Schlag vier Millionen ausgeben, sondern bei Bedarf Schritt für Schritt erweitern. Und wenn wir Erfolg haben wird es auch mehr werden.

Mehrere Tranchen bedeutet, Sie investieren zunächst eine Million?

Mack:
Die erste Investition in die Infrastruktur mit Gebäuden, Parkplätzen und Wegen wird sich auf knapp zwei Millionen Euro belaufen.

Das wirft die Frage nach der Finanzierung der Ideenschmiede Mack-Next auf. Wie funktioniert das – übernimmt es die Familie, haben Sie Banken an Bord oder Risikokapitalgeber?

Mack:
Unsere VR-Aktivitäten beim Alpenexpress sowie dem Voletarium haben wir dem Park lizenzfrei zur Verfügung gestellt. Über die Jahre wurden damit vier bis sechs Millionen Euro Umsatzwachstum generiert, die komplett dem Park zugeflossen sind. Aus diesem Gewinn werden die anderen Aktivitäten finanziert.

Wäre es ein Weg, Fremdkapitalgeber mit reinzunehmen, die in solche Technologien investieren wollen?

Mack:
Die Frage ist, warum sollten wir?

Noch schneller, noch besser, noch größer...

Mack:
Ach, Schuster bleib' bei Deinen Leisten! Es war die Philosophie unserer Familie, nur das Geld ausgeben, das wir auch verdient haben. Ich schließe nicht aus, dass man sich für ein Spiel, eine Technologie oder eine Plattform, wenn schnell viel Geld benötigt wird, auch dem Kapitalmarkt öffnet. Aber davor habe ich Respekt. So wie es große amerikanische Konzerne handhaben, damit tue ich mich schwer.

Im "Handelsblatt" habe ich die Formulierung gelesen, Mack-Next und "Yullbe" sei eine "Vater-Sohn-Challenge" – stimmt das?

Mack:
Ich finde das gar nichts Negatives! Unsere Familie ist deshalb so stark, weil wir es über acht Generationen geschafft haben, eine Generationen-Diskussion zu entfachen. Das hat unseren Produkten extrem gut getan. Auch unsere Hotels waren in diesem Sinne eine Vater-Sohn-Challenge. Mein Großvater stand als Maschinenbauer auf dem Standpunkt: "Die Leute kommen nur wegen der Achterbahnen zu uns." Mein Vater war der Visionär und hat sich durchgesetzt. Am Ende gab es eine Einigung und die nachfolgenden Generationen sind heute sehr glücklich darüber.?
Dazu eine kleine Geschichte am Rande: Das Hotel, in dem wir gerade sitzen, war ursprünglich mit vier Stockwerken geplant. Mein Opa hat dann, wie früher üblich, aus den Plänen mit der Rasierklinge ein Stockwerk entfernt. Er hatte eben Angst, das Unternehmen werde einem zu großen Risiko ausgesetzt. Deshalb bin ich gerade sehr behutsam bei meinen Plänen in Plobsheim... Nicht dass dort irgendwann auch ein Stockwerk fehlt! (schmunzelt)
Aber nochmal: Ich glaube diese Auseinandersetzung ist gut. Mein Vater hat mir nach der Eröffnung von "Yullbe" eine Nachricht geschickt: "Wir haben viel Geld und Risiko übernommen, aber letztendlich zeichnet Risikobereitschaft ein gutes Unternehmen aus. Du hast tolle Arbeit geleistet, so macht eine Zusammenarbeit Spaß! Lebenserfahrung gepaart mit Innovationen, das ist zukunftsfähig!" Eine Vater-Sohn-Challenge ist deshalb für mich Ausdruck eines Erfolgsmodells.

Woher stammt Ihre Faszination für die Medientechnologien?

Mack:
Das ist eine gute Frage... Ein Grund ist unser Versprechen, Menschen zu unterhalten. Das haben wir bislang sensationell gut hingekriegt. Dafür haben wir auch immer einige Euro mehr ausgegeben, um unsere Gästen in eine andere Welt zu entführen. Dabei müssen wir das Unternehmen ständig weiterentwickeln und da die Welt ständig digitaler wird, müssen wir mitgehen. Ich möchte mir als achte Generation nicht von meinen Kindern sagen lassen, ich hätte Trends nicht erkannt. Bislang waren wir als Freizeitpark jedenfalls sehr gut in unserer Digitalisierungs- und Virtualisierungsstrategie: 2015 hatte noch niemand Virtual Reality auf dem Schirm, da haben wir mit dem VR-Coaster bereits Erfolge verbucht.

Hatten Sie damals schon die Vision, aus VR-Coaster ein eigenes Geschäftsmodell zu machen, um weltweit alte Achterbahnen aufzupeppen?

Mack:
Ich würde lügen, wenn ich ja sagen würde. Klar, der Wunsch ist immer da, keinen One Hit Wonder zu produzieren. Ich wollte eine Ergänzung für unser Geschäftsmodell, während der damalige Geschäftsführer zunächst den großen Reibach machen wollte. Wäre er geblieben, dann gäbe es den VR-Coaster nicht mehr. Ich glaube, solche neue Technologien wie "Swim-VR" oder "Yullbe" sichern das Unternehmen und tragen es in die Zukunft. Also unterm Strich: Ich habe schon geglaubt, dass VR-Coaster auch über die Achterbahn hinaus ein Erfolg wird und mit "Yullbe" haben wir bewiesen, dass es funktionieren kann. Aber ob wir damit Geld verdienen, steht auf einem anderem Stern.

Wie ist denn das Geschäftsmodell hinter "Yullbe"? Wenn ich es richtig verstehe, dann hoffen Sie, dass möglichst viele Einkaufszentren weltweit sagen: Das hat uns gefehlt!

Mack:
Das ist richtig.

Wie viel Anfragen liegen denn bereits vor?

Mack:
Wir haben Anfragen aus München, Mannheim, Oberhausen. Das Ausland ist gerade noch ruhig. Ich hoffe, wir können Anfang nächsten Jahres die ersten weiteren Installationen starten.

Wie hoch sind die Investitionskosten? Man braucht ja nur einige VR-Brillen, die Lizenz für die Software und noch ein wenig Hardware... Eigentlich können die Kosten nicht so hoch sein.

Mack:
(schmunzelt) Wenn man die Technologie dahinter nicht kennt, dann ja. Wir bieten mit dem System aktuell zwei Erlebnisse: eines mit zehn Minuten Dauer und eines mit 30 Minuten. Diese Erlebnisse sind aber technisch höchst unterschiedlich: für "Yullbe 30" braucht man 200 Quadratmeter Fläche, bei "Yullbe 10" sind es 80 Quadratmeter. Bei "10" nutzt man Headsets mit einer Auflösung in 4k sowie ein Inside-Out-Tracking mit eingebauten Kameras und Referenzpunkten im Raum, die erkennen, wo sich der Spieler befindet. Das System hat eine Kapazität von rund 60 Personen pro Stunde. Die Kosten liegen hierfür zwischen 60.000 und 100.000 Euro.
Bei "Yullbe 30" setzen wir eine höhere Grafikleistung ein, weshalb der Spieler einen Rechner auf dem Rücken trägt sowie eine Brille mit 8k-Auflösung. Dazu nutzen wir ein Out-Side-In-Tracking mit 80 Kameras im Raum, die die Referenzpunkte an den Spielern verfolgen. Dafür arbeiten wir mit dem Hersteller Vicon zusammen, wobei dessen System bislang nur 20 Leute gleichzeitig tracken konnte. Mit unserer Unterstützung wurde das System auf maximal 48 Personen aufgebohrt! Das wurde weltweit noch nie so gemacht! Das macht mich durchaus stolz, dass wir im Bereich VR die Grenzen verschoben haben und diese Technologie eben nur partiell aus China oder den USA stammt, sondern von einem 240 Jahren alten Unternehmen aus Deutschland.

Und wie hoch sind für dieses System die Investitionskosten?

Mack:
Hier liegt die Investitionssumme alleine für die Kameras bei 150.000 Euro. Dazu kommen noch mal 15.000 Euro an Technik pro Spieler. Das System kommt dann auf gut 700.000 Euro.

Klingt aber dennoch finanzierbar...

Mack:
Ja, es ist finanzierbar. Aber wir werden auch ein Modell anbieten können, bei dem man "Yullbe 30" für eine fixe Summe von 50.000 Euro pro Monat leasen kann.

Was ist das nächste, das sich bei Mack-Next am Horizont abzeichnet?

Mack:
Zunächst geht es gemäß der Mack'schen DNA darum, erfolgreich zu sein und die Qualität, die wir uns vorgestellt haben auch zu realisieren. Die aktuelle Version von "Yullbe" ist schon ganz gut, aber da geht noch mehr!
Generell ist es ein Wunsch von mir, eine Plattform aufzubauen. Wir wollen das "iTunes" für VR werden. Dann stellen wir Developer-Kits zur Verfügung, um Entwicklern von außerhalb des Parks Möglichkeiten zur Einbindung zu bieten. Oder die Spieler können eigene Welten entwerfen und ihre Charaktere anpassen. In meinem Kopf sind noch ganz viele Ideen, jetzt müssen wir dafür noch die richtigen Menschen finden, um sie auch umzusetzen.

Wie weit sind die Ideen schon in der Realisierung?

Mack:
An der Plattform arbeiten wir bereits und auch Gespräche mit Entwicklern sind gut vorangekommen. Mein Traum wäre, wenn auf "Yullbe 10" alle Spiele der Welt laufen würden. Angesichts des Machtkampfs zwischen Apple und Fortnite hier das Angebot: liebes Fortnite-Team, bei uns dürft ihr auf die Plattform ohne 30 Prozent zahlen zu müssen (schmunzelt).

Und was kommt nach VR?

Mack:
Puuh... Das müsste ich vielleicht meinen Sohn fragen... Ich habe keine Ahnung. Augmented Reality wird sicher eine größere Rolle spielen. Im Sinne einer erweiterten Realität brauchen die Leute heute eine permanente Zerstreuung und wollen oder können sich auch gar nicht mehr auf den Moment konzentrieren, keiner schaut mehr konzentriert Fernsehen. Meine Kinder machen drei Sachen gleichzeitig nebenher, sie spielen, schauen ein Video und unterhalten sich per Telefon mit Freunden! Ich bin damit nicht überfordert, aber mir erschließt sich der Sinn nicht. Aber auch darin sieht man - und das ist zugleich meine Hoffnung - das auch in Zukunft die Menschen immer mit anderen Menschen interagieren und kommunizieren wollen. Wie das künftig stattfinden wird, das wird sich zeigen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Mack!

Zur Person


Michael Mack, 42, arbeitet von Kindesbeinen an im Europa-Park mit. Nach einem tri-nationalen International Management-Studium gründete der älteste Sohn von Park-Inhaber Roland Mack 2002 den Entertainment-Ableger Mack-Media, später dann Mack-Music und Mack-Animation sowie zuletzt die Ideenschmiede Mack-Next. Aufgrund seiner Affinität zu digitalen Themen und dem Einsatz neuer Technologien gilt Mack nicht nur innerhalb der Branche als Pionier, für die Anwendung VR Coaster heimste das Unternehmen Preise ein.

Übrigens: Das Interview können Sie hier auch als Podcast hören, in dem Michael Mack noch ausführlicher auf die Planungen und Ideen eingeht.

Teilen auf

Das könnte Sie auch interessieren