Kanz wird zerschlagen

Die insolvente Textil- und Spielzeug-Holding wird aufgeteilt und soll "komplett neu starten". Beim Blick auf die Investoren wirft diese Aussage Fragen auf

 
Foto: Kanz Financial Holding
 

Pliezhausen. Nach Angaben von Insolvenzverwalter Tobias Wahl gibt es eine laut Mitteilung "Zukunftslösung"  für die Kanz Financial Holding – was konkret bedeutet: Die Spielwarengeschäfte der Spielwaren Kurtz werden von der Bellybutton International übernommen. Der nicht näher bezifferte "überwiegende Teil" der Sons & Daughters-Filialen gehen an die Fashion Accessoires  & Bodewear (Fab) aus Albstadt, die auch das Wholesale-Geschäft sowie verschiedene Markenrechte übernimmt.

Laut Wahl wurden die Kaufverträge bereits unterzeichnet, über den Kaufpreis sei wie üblich Stillschweigen vereinbart worden. 190 Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben – weniger als die Hälfte der zuletzt angebotenen. Der Insvolvenzverwalter spricht dennoch von einem Erfolg: "Ich freue mich sehr, dass wir trotz extrem schwierigen Bedingungen aufgrund der Corona-Pandemie eine gute Zukunftslösung für die Kanz Gruppe finden konten."

Nach Angaben von Harals Heppeler, Geschäftsführer von Bellybutton, sollen die Spielwarengeschäfte nach einer Modernisierung ab September "komplett neu starten". Zeitlich versetzt werden auch die Sons & Daughters-Filialen weider eröffnet.

Der "komplette Neustart" wirft indes Fragen auf: Sowohl Bellybutton wie auch Fab stammen aus dem Umfeld der insolventen Kanz, waren und sind teils gesellschaftsrechtlich und personell verknüpft, teils teilt man sich die Postanschrift in Pliezhausen.

Bleibt abzuwarten, was aus diesem Neustart tatsächlich wird.

Für die insolvente Kanz Financial Holding (KFH) zeichnet sich eine Lösung ab. Wie der "Südkurier" aktuell berichtet, hegt der Insolvenzverwalter Tobias Wahl von der Kanzlei Anchor Hoffnungen: "Wir sind in Verhandlungen mit einem neuen Investor, die kurz vor dem Abschluss stehen", wird eine Sprecherin zitiert. Diese Aussage wird noch unterstrichen von einem Eintrag im Handesregister: Die KFH befindet sich seit dem 12. Juni in Liquidation.

Selten hat eine Nachricht innerhalb einer Branche für mehr Stirnrunzeln gesorgt.

Denn die inhabergeführte Kanz hat sich in den vergangenen Jahren offenkundig wenig Freunde gemacht. Dabei war das Ziel von KFH zunächst gar nicht schlecht gedacht: Die Gruppe, die auf die Gründung eines Textilherstellers durch Josef Kanz in Neufra bei Rottweil im Jahr 1949 zurückgeht, formierte sich vor allem ab den 2000er Jahren mit unzähligen Marken und Lizenzen zu einem globalen Player – und wollte damit "alles rund ums Kind" bieten. Und das nicht nur mit selbst hergestellten Produkten mit eigenen Marken sowie Lizenzprodukten, sindern auch in selbst bewirtschafteten Shops sowie Shop-in-shop-Lösungen. In Hochzeiten bespielte man über 3500 Verkaufstellen in 30 Ländern, darunter 200 Verkaufstellen in Deutschland, von denen wiederum 145 eigene Kanz-Geschäfte waren.

Dazu kamen dann noch über die Tochtergesellschaft Spielwaren Kurtz hochwertige Spielwarengeschäfte zwischen Dortmund, Stuttgart, München und Friedrichshafen, zehn insgesamt. In den Läden hat zumindest teilweise der Ausverkauf begonnen, der letzte Schritt vor der endgültigen Schließung.

Die besten Jahren hatte das Konglomarat aus verschiedenen Unternehmen, Töchtern und Marken augenscheinlich im Geschäftsjahr 2015/2016: Damals lag der Umsatz bei rund 97,1 Millionen Euro. 2017/2018 waren es noch 83,7 Millionen – obschon KFH im Gegensatz zum Vorjahr wenigstens einen kleinen Gewinn schrieb, war die Schuldenlast drückend und auch die nicht verkaufte Ware stapelte sich derart, dass man im Risikobericht der Bilanz den Verkauf dieser Waren schon als richtig wichtig einstufte. Zudem standen in den folgenden Jahren insgesamt rund zehn Millionen Euro Rückzahlungen an stillen Einlagen an.

Dabei war in dem Geschäftsjahr 2017/2018 noch gar nicht wirklich wirksam, was die Spatzen innerhalb der Branche schon im Verlauf des Jahres 2017 von den Dächern pfiffen: KFH hatte seine Cashcow verloren, nämlich die Lizenz für die Steiff-Produkte. Die anderen Marken des Konzerns von Marco Polo bis Tom Tailer und Bellybutton sind zwar klangvoll, aber eben nicht so einträglich.

Doch bereits im Jahr 2016 hatten die KFH-Verantwortlichen aufgrund der sich verschärfenden Lage gegengesteuert, Berater an Bord geholt und als eine Neuerung einen Dienstleistungsbereich aufgebaut. Dabei stellte man die eigene Produktion Fremdfirmen zur Verfügung, was laut der Bilanz 2017/2018 für eine "nahezu optimale Auslastung" sorgte.

Allerdings häuften sich die Beschwerden: KFH war offenkundig nicht immer lieferfähig, ließ die Händler teils monatelang auf die Ware warten – was in einem schnelllebigen Geschäft nicht optimal ist. Es setzte sich eine unheilvolle Spirale in Gang: Den Pliezhausenern fehlte Geld, um die Waren herzustellen und auszuliefern. Das wiederum verärgerte die Kunden, Händler wie Lizensgeber, die absprangen und die Schwierigkeiten vergrößerten… Parallel wurden Ladengeschäfte geschlossen und 100 Arbeitsplätze abgebaut. Aktuell waren im März noch 420 Personen bei KFH beschäftigt.

Dann kam auch noch Corona und damit die offiziell angeordnete flächendeckende Schließung der Ladengeschäfte. Da KFH laut Branchenkennern bis dato das Online-Geschäft sowohl mit Textilien wie mit Spielwaren vernachlässigt hatte, konnte man auch nicht vom Ausweichen der Kunden profitieren.

Ende März zog die KFH-Geschäftsführung deshalb die Reißleine und beantragte Insolvenz.

Nun also der Hoffnungsschimmer, den der Insolvenzverwalter Wahl verkündet hat. In der Branche wartet man gespannt, wie es nach dieser Vorgeschichte weiter gehen kann und soll. Nur eines scheint klar: Auf einen Vertrauensvorschuss kann eine "neue" Kanz nicht wirklich bauen.

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