Die Corona-Kreativen #1

Angesichts der Pandemie kann man in Schwarzmalerei verfallen oder einfach fassungslos dasitzen. Das hilft aber weder Händlern noch Gastronomen noch Künstlern – deshalb münzen sie bemerkenswert schnell die Krise zur Chance um

 
Foto: einzelheld.de
 

Stuttgart/Villingen-Schwenningen/Karlsruhe. Drei Tage von der Idee bis zum Produkt – Respekt! So schnell war das Team um Ruben Deyle und Mark Dornbach, um das Portal "einzelheld.de" auf die Beine zu stellen. Auf der Website hat das Team wunderbar dokumentiert, was sich konkret in diesen Tagen abgespielt hat – von dem "Gedanke entsteht und wird in kleiner Runde laut ausgesprochen" am Dienstag Abend bis zum "Live!" am Donnerstag Abend. Das alles aus dem Homeoffice heraus abgesprochen und umgesetzt.

Konkret verbirgt sich hinter "einzelheld.de" eine Plattform, auf der Cafés, Fachgeschäfte, Boutiquen oder auch Handwerksbetriebe ihre Waren anbieten und den Kunden liefern können.

"Mit einzelheld.de möchten wir die Einzelhändler unterstützen, damit diese auch nach der Pandemie noch für uns da sind. Gemeinsam wollen wir aus der Krise eine Chance machen", beschreibt Deyle, zugleich Geschäftsführer der Entrecode, die Idee. Dornbach, Geschäftsführer der Iteneo, ergänzt: "Wir wollen damit kein Geschäft machen, sondern den stationären Handel vor Ort unverzüglich und wirkungsvoll helfen, einen Teil der Umsätze zu retten." Deshalb fallen für den Dienst auch nur Centbeträge für Finanztransaktionen und Bereitstellung an.

Das Beispiel zeigt: Die Innenstädte sind zwar leergefegt, Festivals und Auftritte abgesagt – die Corona-Krise hat aber einen Schub an (digitaler) Kreativität ausgelöst. Da geben Fitness-Trainer und Cello-Lehrerinen nun per Skype Trainingsstunden, Schulungen oder auch Konzerte. In Karlsruhe hat die Stadtverwaltung im Internet unter dem Stichwort "smart@home" alles zusammengetragen, was man in der Stadt an virtuellen Rundgängen, Museen oder auch Theatern erleben kann – das Motto: Erlebnisse "ganz ohne Anstehen".

Allerdings kann nicht Jeder seine Leistungen ins Virtuelle verlegen. Deshalb entstehen landauf, landab Initiativen, um Händler, Gastronomen und Kunden trotz geschlossener Geschäfte zusammenzubringen. In Donaueschingen haben mehrere Gastronomen beispielsweise das Portal "lieferservice-donaueschingen.de" initiiert. Wobei sich die Teilnehmer vom Gasthaus bis zum Blumenhändler dort nicht nur präsentieren können, die Initiatoren stellen als Service auch personalisierbare Logos, Flyer und Aufkleber zur Verffügung – inklusive Link zur Druckerei. Das Angebot wird nun auch von der Stadtverwaltung gelobt, die sich nun ebenso wie der Gewerbeverein und Citymanagement finanziell beteiligt.

Ein ähnliches Angebot besteht in Villingen-Schwenningen. Dort haben sich in dem Portal "handeln-fuer-vs.de" neben dem Gewerbeverband Oberzentrum auch die Stadtverwaltung und die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg eingebracht. Innerhalb weniger Tage haben sich 226 Geschäfte und Dienstleister angemeldet. Und die Stadtverwaltung hat vier Mitarbeiter abgestellt, die eine eigens eingerichtete Telefonhotline rund um den Service betreuen.

Eine Nummer größer, aber von der Stoßrichtung her ähnlich ist die Initiative der Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg: "Wir liefern!" heißt die Kampagne, mit der Händler, Gastronomen und Einzelhändler auf ihren Lieferservice aufmerksam machen können. Eigens dafür wurde ein Plakat entworfen, das Teilnehmer selbst ausdrucken können (oder sie bestellen es kostenfrei bei den Initiatoren) und das Team der Wirtschaftsförderung begleitet das Engagement unter dem Hashtag "#DieRegionHältZusammen" in den sozialen Medien und will sich mit weiteren Initiativen verbünden, um die Reichweite zu erhöhen.

Damit zurück nach Stuttgart. Immerhin scheint die Landeshauptstadt aktuell eine Art Epizentrum der Corona-Kreativen zu sein.

Unter www.stuttgartsindwir.de findet sich die spontan eingerichtete Initiative für "den Erhalt der abwechslungsreichen Einzelhandels-Landschaft in Stuttgart", wie es auf der Seite heißt. "Gemeinsam stark gegen Corona!" – die kleine Boutique, das Traditionsgeschäft, lokale Händler, all das macht schließlich eine Stadt aus. Die "alternative Kommunikationsmethode" macht es dem interessierten Einzelhändler so leicht wie möglich, dabei zu sein: Wer mit seinen Kunden in Kontakt bleiben will, kann sich auf dieser Seite mit den wichtigsten Informationen und seinem alternativen Angebot während der Corona Krise eintragen lassen. Eine E-Mail mit kleinem Text und Bild genügen – das funktioniert  ohne eigene Homepage oder Social-Media-Kanal. Und die Geschäfte lassen sich einiges einfallen – von Whatsapp Chat, Videocall, Telefon oder Lieferservice... Vielfalt ist Trumpf.

Über den Instagram-Kanal "solidaritaet_stuttgart" wollen die Initiatoren Cafés, Bars, Shops der Stadt unterstützen, die von den angeordneten Schließungen betroffen sind – mit dem Verkauf von Shirts. Das auf diesen Weise verdiente Geld wird in Gutscheine der Geschäfte investiert. Eine anderer Ansatz: bei lokal-support.de werden Cafés, Bars und Restaurants unterstützt: man kann auf dieser Seite seinem "Lieblingsort mit einem kleinen Trinkgeld" ganz unkompliziert und direkt über Paypal unter die Arme greifen.

Ebenfalls bemerkenswert: Das Foodsharing Café "Raupe Immersatt" hat sein Schaufenster als "schwarzes Brett" zur Verfügung gestellt und in ein sehr prominentes "ich suche - ich biete"-Bild verwandelt – selbstredend gibt es die Infos auch auf Instagram.

Und ein Spielwarenladen hat sein Schaufenster zu einem "Automaten" umgebaut: Verschiedene Artikel sind in Rahmen aufeinandergestapelt und nebeneinander aufgereiht. Die Nummer an den Rahmen machen das Shoppen leichter – auswählen, ordern und nach Hause geliefert bekommen. So geht auch das, wenn man nicht gleich einen Onlineshop zur Hand hat.

Oder wie wäre es mit einer Styleberatung per Videochat wie ihn das Modegeschäft Abseits Germany anbietet?

Und Bars wie das "TinTin" liefern eben einfach die Cocktails aus, wenn die Gäste nicht kommen dürfen, egal ob gerüttelt oder gerührt – der Fantasie sind eben nur wenig Grenzen gesetzt und für die Umsetzung braucht man höchstens einige Tage. Einfach ausprobieren. Es lohnt sich!

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