Boysen und der Rekord

Der Abgasspezialist hebt den Umsatz auf eine neue Bestmarke – dank China. Doch andere Details der Bilanz von Chef Rolf Geisel sind spannender, so eine Investition über 20 Millionen Euro

 
Foto: Boysen
 

Altensteig. Die Boysen Gruppe hat auch das vergangene Jahr mit einem Umsatzrekord abgeschlossen. Nach Angaben von Geschäftsführer Rolf Geisel liegt die neue Marke bei 2,4 Milliarden Euro – ein Plus von zwölf Prozent. Auch die Zahl der Mitarbeiter ist im vergangenen Jahr erneut gewachsen: 400 Menschen mehr und damit erstmals mehr als 5000 Personen arbeiten für den Abgasspezialisten. "Das hat Seltenheitswert. Zumindest sind mir ähnliche Beispiele aus der Branche nicht bekannt. Im Gegenteil: Die Fachpresse berichtet meist von Entlassungswellen", so Geisel.

Allerdings: Auch in Altensteig hat man die Auswirkungen der Pandemie zu spüren bekommen. Geisel: "Alleine die Zeit von Mitte März bis Mitte Mai, in der der Großteil unserer Produktionsstätten im Zuge der ersten Lockdown-Welle geschlossen war, hat uns umsatzseitig rund 300 Millionen Euro gekostet." Am Ende sackte das Ergebnis des Stiftungsunternehmens laut des Geschäftsführers um "circa ein Drittel" gegenüber dem Vorjahr ab. Wobei Geisel auch damit die Gruppe noch auf gutem Kurs sieht: Immerhin seien im vergangenen Jahr fast ein Viertel weniger Fahrzeuge in Europa zugelassen worden. "Für eine solche Entwicklung gibt es keinen Plan und auch kein Regiebuch", so Geisel.

Zwei Gründe sieht Geisel für die positive Entwicklung bei Boysen:

# "Wir arbeiten ausschließlich für Premiumhersteller. Und Premium ist auch in Pandemie-Zeiten gefragt", fasst der Geschäftsführer zusammen.

# Die wichtigsten Wachstumsimpulse kamen aus China: Die dortigen Standorte waren zwar ebenfalls von Schließungen aufgrund der Pandemie betroffen, allerdings nur für drei Wochen – die auch noch auf das dortige Neujahrsfest fielen. Geisel: "In den Folgemonaten erlebte der Absatz von Premiumfahrzeugen in China einen regelrechten Höhenflug, womit wir die Umsatzausfälle in den anderen Ländern zum größten Teil ausgleichen konnten." Da der Chef auch in den kommenden Jahren mit stetem Wachstum rechnet, wurde mit dem Bau eines dritten Produktionswerks begonnen.

Vor dem Hintergrund der Pandemie ist das eine durchaus bemerkenswerte Bilanz. Doch ungleich interessanter ist, was Geisel abseits der Bilanzkennzahlen berichtet: Der traditionsreiche Zulieferer für Komponenten von Verbrennungsmotoren treibt konsequent die Transformation voran!

# Das wichtigste Projekt ist dabei der Bau eines Wasserstoffzentrums in Simmersfeld. Laut Geisel wird "noch in diesem Jahr" Spatenstich sein, 20 Millionen Euro will die Gruppe investieren. "Die große Motivation dahinter ist, dass wir die Wasserstofftechnolgie in Verbindung mit der Brennstoffzelle als einzig zukunftsfähige Antriebsform für schwere Nutzfahrzeuge sehen". Parallel soll in dem neuen Zentrum an der Nutzung von Wasserstoff zur Herstellung von "bezahlbaren synthetischen Kraftstoffen" geforscht werden.

# Da die Pandemie laut Geisel "als Brandbeschleuniger" in Sachen E-Mobilität wirkt, zeigt er sich über einen Produktionshochlauf besonders erfreut: "Unser erster Automobilauftrag abseits des Vebrennungsmotors ist die Fertigung von Strukturbauteilen für E-Fahrzeuge, die im zurückliegenden Januar am Standort Simmersfeld gestartet ist."

# Parallel hat die Gruppe die Nagolder Helag-Electronic übernommen, um den Bereich der Steuerungs- und Sensortechnik zu stärken. Zudem gehört nun ebenfalls der Supersport- und Rennwagen-Spezialist MHG Fahrzeugtechnik aus Heubach zu der Gruppe.

# Beim Dortmunder Batteriespezialisten Volterion, an dem Boysen die Mehrheit hält, läuft aktuell "das erste Großprojekt mit einem deutschen Energieunternehmen". Zudem mache man die spezielle Speichertechnolgie für den Einsatz in Wohnhäusern fit, um von der Energiewende zu profitieren.

Alles in allem sieht Geisel damit die Gruppe gut gerüstet – und peilt einen neuen Rekord an: Vor dem Hintergrund von Unsicherheiten aufgrund der Pandemie rechnet der Geschäftsführer mit einem Umsatz in Höhe von 2,5 Milliarden Euro.

Die Wurzeln der Gruppe reichen bis ins Jahr 1921 zurück, als Friedrich A. Boysen in Leipzig mit der Steigboy Apparatebau ein Unternehmen für Abgasschallmäpfer aller Art gründete. Allerdings ging das Unternehmen im Zuge der Weltwirtschaftskrise insolvent und Boysen baute für Eberspächer den Bereich Abgasanlagen auf. 1945 wagte er den Neustart, zunächst in Stuttgart, dann in Altensteig. Heute ist die Gruppe einer der führenden Hersteller weltweit von Abgastechnologie für Fahrzeuge und stationäre Anlagen aller Art.

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