„Abgase auf Baustellen sind nicht mehr zeitgemäß“

Der Unternehmer Thomas Uhrig investiert mit der Kiesel Gruppe und Suncar Millionen in die erste Elektrifizierung eines Baggers der 29-Tonnen-Klasse. Die Herausforderung ist so groß wie die Chance – was mit den Baumaschinenherstellern und Umweltauflagen zu tun hat

 
Foto: Jigal Fichtner für econo
 

Geisingen. Der Umgang mit Baggern ist das tägliche Geschäft von Thomas Uhrig. Immerhin ist die Gruppe des umtriebigen Geschäftsführers auch im Straßen- und Tiefbau sowie der Kanalsanierung aktiv. Wobei die Arbeit mit Baggern etwas völlig anderes ist als das, was Uhrig jetzt voran treibt: "Wir werden die ersten sein, die einen Bagger der 29-Tonnen-Klasse elektrifizieren."

Um die Herausforderung zu verstehen muss man sich verdeutlichen: Elektrifizieren bedeutet nicht, Dieselmotor samt Tank einfach gegen E-Antrieb und Batterie auszutauschen. "Der Eingriff geht sehr viel tiefer, weil das ganze System betrachtet werden muss", erläutert Uhrig.

Ein Bagger der genannten Klasse ist nämlich das Arbeitstier schlechthin auf Baustellen aller Art. Er hat ausreichend Kraft und ist flexibel einsetzbar. Zudem lässt sich die Maschine gut per Lastzug transportieren. Kurzum, kaum eine Baustelle kommt ohne Bagger dieser Klasse aus.

Aber das bedeutet für das Vorhaben von Uhrig: Der elektrische Bagger muss genauso so flexibel bleiben wie das herkömmliche Modell – was an das E-System höhere Anforderungen stellt. "Im besten Fall arbeitet ein Bagger gleichförmig im Erdbau, das lässt sich recht einfach abbilden. Aber in den allermeisten Fälle ändern sich die Anforderung ständig vom reinen Baggern zum Heben über das Rangieren, hin zu Wartezeiten, dem Umbau der Anbaugeräte bis zum Losbrechen von sehr festem Untergrund - das geht den ganzen Arbeitstag so", erläutert der Firmenchef die Anforderungen, die Steuersoftware und Batteriemanagement abbilden müssen.

Thomas Uhrig vereint in seiner Firmengruppe mit rund 130 Mitarbeitern allerlei Kompetenzen. Immerhin entwickelt die Gruppe unter dem Markennamen UAM eigene Anbaugeräte für Bagger wie Verdichter. Und hat mit "Quick Lock" ein Reparaturverfahren für die Rohrinnensanierungen von Abwasserleitungen ebenso entwickelt, wie mit dem "Therm-liner" ein innovatives Verfahren zur Nutzung von Wärme aus Abwasser – sogar in Paris wird das System großflächig für die regenerative Energiegewinnung eingesetzt.

Doch bei einem E-Bagger sind eben andere Kompetenzen gefragt. Deshalb arbeitet Uhrig seit rund drei Jahren im Verbund mit zwei Spezialisten an dem Projekt: Das Familienunternehmen Kiesel mit Sitz in Baienfurt bei Weingarten gilt mit 1050 Mitarbeitern, 80 Niederlassungen in Europa und 430 Millionen Euro Umsatz als führend bei der Modifikation von Baufahrzeugen: Beispielsweise arbeitet kaum ein Abbruchbagger so auf der Baustelle, wie das Basisfahrzeug die Fabrik verlassen hat. Und das Start-up Suncar, eine Ausgründung der ETH Zürich, hat Erfahrungen in der Batterietechnologie samt der dazugehörigen Steuerungssoftware – denn das Team hat bereits einen Bagger der 16 Tonnen-Klasse elektrifiziert.

Aktuell sind nach Angaben von Uhrig die Vorarbeiten für das Bagger-Projekt soweit abgeschlossen und der Aufbau eines "Demonstrators" steht an: Also ein echter Bagger, mit dem auf Baustellen Erfahrungen gesammelt werden. Dafür gab es nun eine Förderung von Seiten des Bundesumweltministeriums: 30 Prozent der geschätzten 2,2 Millionen Euro Investitionskosten sind damit abgedeckt. Die drei Partner stemmen unterschiedliche Anteile der Kosten. In anderthalb Jahren soll laut Uhrig der Bagger dann einsatzfähig sein.

Aber warum dieses große Engagement zweier Mittelständler und eines Start-ups?

"Die Frage ist berechtigt, eigentlich ist das nicht unsere Baustelle. Da sollten vielmehr die großen Hersteller wie Caterpillar oder Liebherr aktiv werden, doch von dort kommt nichts", sagt Uhrig. Wobei das Thema Elektrifizierung am Handwerk nicht spurlos vorbeigeht: Akku-Kleinwerkzeuge sind auf Baustellen längst Alltag. Die Hersteller Kramer Allrad und Volvo bieten zudem kleine Radlader und Bagger mit "E" an. Auch Geräte wie Verdichtungsmaschinen – sogenannte "Rüttler" – gibt es inzwischen mit Batterieantrieb, die Kramer-Mutter Wacker Neuson hat unter dem Titel "Zero Emission" dazu eine ganze Reihe derartiger Geräten aufgelegt.

Bei den richtig großen Maschinen ist Elektrizität als Antrieb seit Jahrzehnten bei Tagebaubaggern verschiedener Bauart beinahe Standard. Aktuell kommen Projekte wie Minen-Lastwagen hinzu: Der Bergbaukonzern Anglo American will noch in diesem Jahr einen Dumper der 290-Tonnen-Klasse als größten E-Dumper weltweit in Betrieb nehmen. Und der Lastwagen im Steinbruch eines Schweizer Zementwerks sollte sogar einer Art Perpetuum Mobil sein – dank der Topographie würde der 65-Tonner den nötigen Strom durch Rekuperation selbst erzeugen. Das ist zwar eine Zeitungsente, effizienter als ein Diesellaster sei er laut Betreiber aber allemal. Liebherr hat ganz aktuell zusammen mit dem Schweizer Spezialisten Designwerk den Bau eines elektrischen Betonfahrmischers angekündigt, den der Baustoffkonzern Holcim ab diesem Herbst in der Schweiz einsetzen will.

Was in der Auflistung auffällt: Zwischen Akku-Bohrmaschine und E-Dumper klafft eine Lücke. Nämlich in genau der Klasse, die Uhrig mit seinen Partnern nun angeht. Deshalb noch einmal die Frage nach dem Warum? Uhrig: "Wir haben viele Aufträge in Innenstädten. Dort werden die Anforderungen an die Luftqualität ständig höher." Sind es in der Schweiz oder Deutschland bereits einige Städte, die strenge Auflagen erlassen haben, so sind beispielsweise in Norwegen ab dem Jahr 2023 keine Verbrennungsmotoren mehr erlaubt.

"Wenn wir also weiterhin Aufträge bekommen wollen, müssen wir aktiv werden", so der Firmenchef. Und außerdem: "Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, dass unsere Mitarbeiter auf der Baustelle Abgase einatmen müssen."

Da das Trio mit dem E-Bagger-Projekt zeitig dran ist und die Vorarbeiten abgeschlossen sind, könnte es von dem sich aufgrund der verschärften Anforderungen abzeichnenden Boom der E-Bagger am Ende richtig profitieren.

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