„Verlässliche Aussagen zu China sind nicht möglich“

Corona macht unsicher – das merkt auch ein Verpackungshersteller aus Lahr

 
Foto: Dahlinger (Archiv)
 

Freiburg. Der Lahrer Verpackungshersteller Dahlinger ist auf Produkte aus China angewiesen - was heißt das im Angesicht der Corona-Krise? econo-Mitarbeiter Philipp Peters hat beim Chef des mittelständischen Unternehmens nachgefragt.

Herr Dahlinger, Ihre Firma entwickelt, produziert und verkauft Verpackungen, etwa für Schmuck oder Uhren. Welche Rolle spielt da China?
Bernd Dahlinger:
Wir haben 2002 marktbedingt die Produktion von Lahr nach Asien verlagert. Angefangen haben wir bereits 1986 in Thailand, sind dann aber sukzessive nach China gegangen. Heute kommt 95 Prozent unseres Volumens von dort.

Wie sieht es heute in der Produktion aus?
Dahlinger:
Natürlich nicht gut. Viele unserer zuliefernden Betriebe können die Produktion noch gar nicht oder nur eingeschränkt aufnehmen. Entweder weil eine staatliche Genehmigung fehlt oder weil Mitarbeiter fehlen.

Aber Sie produzieren?
Dahlinger:
Ja. Bereits seit dem 10. Februar. Wir haben für unsere Produkte zehn Produktionspartner mit insgesamt 1500 Mitarbeitern. Keines dieser Unternehmen kann bis heute seine volle Kapazität abrufen, weil die Mitarbeiter aus Nordchina teilweise nicht in den Süden reisen dürfen.

Was bedeutet das für Sie?
Dahlinger:
Zum chinesischen Neujahr am 25. Januar fahren üblicherweise viele Menschen aus dem industriereichen Süden zu ihren Familien in den Norden. Dies betrifft auch das Corona-Kerngebiet rund um Wuhan in der Region Hubei. Aufgrund der Zuspitzung der Lage wurden die Neujahrsferien von der Regierung kurzerhand verlängert, um zu vermeiden, dass infizierte Chinesen nach Süden zu ihren Betrieben reisen und dort Arbeitskollegen anstecken. Die Menschen arbeiten nicht nur in den Fabriken, viele leben auch in angrenzenden Arbeiterunterkünften.

Ist das Problem schon im Vertrieb angekommen oder produzieren Sie so sehr im Voraus, dass Sie noch aus dem Lager verkaufen können?
Dahlinger:
Wir haben zwei Geschäftsfelder. Wir beliefern den traditionellen Einzelhandel von Schmuck- und Uhren. Dort haben wir Ware auf Lager, hier in Deutschland. Das reicht für die nächsten fünf Monate. Dann ist da das Projektgeschäft. Dort gibt es nur in einzelnen Fällen Waren auf Lager.

Das heißt, es wird eng?
Dahlinger:
Ja, es ist absehbar, dass es zu Engpässen kommen wird. Freuen werden sich die Anbieter von Luftfracht. Bisher haben wir die Waren per Seefracht bezogen. Das dauert fünf bis sechs Wochen. Per Luft geht es schneller, aber deutlich teurer. Damit kann man einen Teil des Produktionsausfalls kompensieren, aber sicher nicht alles.

Mussten Sie schon Aufträge ablehnen, etwa wegen fehlender Vorprodukte?
Dahlinger:
Zum Glück noch nicht. Aber wir spüren, dass die Kunden jetzt sehr vorsichtig sind und sich neue Aufträge verzögern.

Was ist die Alternative für Sie, wenn die Corona-Krise länger anhält? Können Sie kurzfristig in ein anderes Land ausweichen?
Dahlinger:
China ist für uns im Grunde alternativlos. Wir haben dort nicht nur Lieferanten, dort sitzen auch deren Zulieferer. Wir haben bereits einen Produktionspartner in Vietnam. Doch auch der bezieht seine Materialien zum größten Teil aus China. Wir prüfen Alternativen in Osteuropa, jedoch ist eine Produktion in Deutschland aus Kostengründen keine Alternative. Die resultierenden Preise zahlen unsere Kunden nicht.

Wie sind die Einschränkungen vor Ort?
Dahlinger:
Das ist extrem. Nur ein Beispiel: Wenn der Logistiker in China Pakete anliefert, darf er nicht in die Firmenräume. Er geht dann in einen abgesperrten Bereich und gibt dort die Sendung ab. Alle Berührungen werden vermieden, vor allem wenn es fremde Leute sind, von denen man nicht weiß, wo sie waren. Die Chinesen ziehen das richtig konsequent durch. Wer sich nicht an diese Regeln hält, muss mit harten Strafen rechnen.

Wie reagieren Ihre Kunden?
Dahlinger:
Wir informieren unsere Schlüsselkunden wöchentlich, wie der Sachstand ist. Dazu gibt es ein offizielles Statement. Für unsere Kunden ist natürlich entscheidend, wann ihre Bestellungen geliefert werden. Da sind wir so ehrlich, dass wir sagen: Verlässliche Aussagen zu China sind zurzeit nicht möglich. Das wissen die Kunden aber selbst.

Das heißt, sie haben Verständnis für Ihre Lage?
Dahlinger:
Ja, das entnehme ich den Reaktionen auf unsere Statements. Weil wir diese freiwillig abgeben, hat das zu einer Beruhigung geführt. Wir haben bewusst proaktiv informiert, damit wir gar nicht erst mit dem Rücken zur Wand stehen.

Was ist mit der Ware, die jetzt schon auf dem Schiff ist oder mit dem, was dann in die Luftfracht geht?
Dahlinger:
Die ist sicher. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat erklärt, dass das Virus nur neun Stunden außerhalb des menschlichen Körpers überlebt. Auch die Express-Lieferung per Luftfracht braucht ja mindestens zwei Tage.

Sie kommen gerade von der Schmuckmesse in München. Ist Corona da ein Thema?
Dahlinger:
Ja. Wir haben weniger Besucher auf der Messe gesehen. Dennoch war es eine gute Messe. Wir hatten in der Vergangenheit auf der Messe nur wenige chinesische Aussteller, die in diesem Jahr alle abgesagt haben. Das war aber schon vor der Messe bekannt.

Was muss Ihrer Meinung nach geschehen, damit wir nächstes Jahr nicht über die nächste Epidemie reden?
Dahlinger:
Die Chinesen müssen vor allem auf den Tiermärkten durchgreifen. Unter welchen Bedingungen dort Tiere gehalten und als Lebensmittel verkauft werden - das ist ekelhaft. Da kam das SARS-Virus her und dort ist offensichtlich auch das neue Virus entstanden.

Besten Dank für das Gespräch, Herr Dahlinger!

Der Lahrer Verpackungshersteller Dahlinger hat seine Wurzeln im Jahr 1871. Heute zählt das Unternehmen rund 70 eigene Mitarbeiter und erlöst einen Umsatz von 32 Millionen Euro. Seit 2002 werden die Produkte in China produziert. In den Zulieferfirmen sind nach Angaben des Unternehmens etwa 1500 Menschen beschäftigt.

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