Paukenschlag bei Marquardt

Der Automobilzulieferer will 600 Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Chef Harald Marquardt spricht von einem erheblichen Kostendruck. Die Gewerkschaft läuft Sturm

 
Foto: Marquardt
 

Rietheim-Weilheim. Größer könnte der Kontrast kaum sein: Erst Ende Juni hat der Mechatronikspezialist Marquardt am Stammsitz ein neues Entwicklungs- und Kompetenzzentrum für 30 Millionen Euro eröffnet. Jetzt musste das Unternehmen die Verlagerung von bis zu 600 der 2400 Arbeitsplätze von den Standorten Rietheim-Weiheim und Böttingen in andere Werke der Gruppe im Ausland in den kommenden zwei Jahren bekannt geben. Zum Grund sagte der geschäftsführende Gesellschafter Harald Marquardt: "Wir mussten das entscheiden, solange wir noch entscheidungsfähig sind." 

Der Hintergrund ist rasch erläutert: der Wettbewerbs- und Kostendruck im Automobilbereich. Nach Angaben von Marquardt würden einerseits immer mehr Konkurrenten in die angestammten Märkte eintreten. Andererseits zeichne sich beim Umsatz eine "Nullrunde" ab, statt der angepeilten 1,4 Milliarden Euro werden es wohl wie im Vorjahr 1,3 Milliarden. So sei seit Dezember 2018 jeder Monat unter Plan gewesen. Das bedeutet laut dem Firmenchef aber vor dem Hintergrund der Preispolitik in der Automobilbranche mit automatischen Rabattrunden: Nullwachstum ist ein Verlustgeschäft. Insgesamt also eine Gemengelage, in der Maßnahmen unumgänglich seien – obwohl man stetig die Kosten optimiert haben, sind laut Marquardt viele Produkte im Land nicht mehr wettbewerbsfähig herzustellen.

Zwar sei das Ziel, die Verlagerung der Arbeitsplätze sozialerträglich zu gestalten. Personalchef Thomas Braun will zudem die altersbedingte Fluktuation nutzen und Abfindungen zahlen. Allerdings schloss er auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus.

Von Seiten der Gewerkschaft stehen die Zeichen indes auf Sturm: "Das ist mit der IG Metall nicht zu machen."  Man verweist darauf, dass Marquardt nicht in einer Krise stecke. Zudem setze man weiter auf Verhandlungen über Einsparungen. Wobei sich die Gewerkschafter bei den Forderungen der Geschäftsführung nach Einsparungen in einer Höhe von bis zu 100 Millionen Euro unter anderem durch Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld bis 2026 dem Vernehmen nach quer legen. Lieber würde die IG Metall in die Qualifizierung der Mitarbeiter in Richtung E-Mobilität und Digitalisierung investieren, um die hiesigen Standorte zu stärken. Insgesamt zeigt man sich von Seiten der Gewerkschaft aber gesprächsbereit und räumt die Herausforderungen ein.

Zugleich hoffen Geschäftsführung und Gewerkschaft auf einen Großauftrag – wofür aber eine Kostensenkung am Stammsitz erreicht werden muss, damit er nicht über einen anderen abgewickelt wird: Porsche gibt Batteriesteuergeräte für seine E-Fahrzeuge mit einer mehrjährigen Laufzeit und einem Wert in Milliardenhöhe in Auftrag. Wo die Geräte gefertigt werden, hat am Ende Signalwirkung für Marquardt.

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