Hände statt Brände

Der Spirituosenhersteller Schladerer, der Gin-Hersteller "Mile High 69" sowie Brauereien liefern nun Vorprodukte für Desinfektionsmittel an Kunden, die es dringend brauchen – und tüfteln an Weiterentwicklungen

 
Foto: oh
 

Staufen. Die Corona-Krise hat die Brennerei Schladerer schwer getroffen. Das 1844 gegründete Familienunternehmen, das heute in sechster Generation von Philipp Schladerer geführt wird, verkauft seine Brände und Liköre nicht nur im Handel. Ein großer Anteil geht direkt an die Gastronomie. Und die ordert zurzeit nicht mehr.

Da bekam Philipp Schladerer den Tipp, hochkonzentrierten Alkohol an Apotheken zu liefern. Er nahm Kontakt zur Apotheke der Uniklinik Freiburg auf und wenige Tage später hatte er einen Großauftrag an Land gezogen, mit dem er Teile seines Betriebs komplett auslasten kann.

Schladerer produziert jetzt 12.000 Liter 80-prozentigen Alkohol im Auftrag der Freiburger Uniklinik. Von den  zwei Brennereien des Unternehmens produziert eine nun nur noch das hochprozentige Destillat, das an einen Hersteller in Bayern geliefert wird. Dieser macht daraus das Desinfektionsmittel für die Freiburger Uniklinik. Statt Rachenputzer mit Niveau produziert Schladerer nun ein Mittel, mit dem man später die Hände rein hält.

Aber Hygienemittel herzustellen, ist nicht unkompliziert. Nicht jede Brennerei hat die technischen Voraussetzungen. Und dann gibt es natürlich besondere Beschränkungen, was die Zulassung von medizinischen Produkten angeht. „Es wurden Vorgaben gelockert, dass Brennereien Alkohol für Desinfektionsmittel herstellen dürfen“, sagt Schladerer.

Auch die junge Gin-Expertin Julica Renn aus Hagnau hat umgestellt – anstatt ihrer mehrfach preisgekrönter Destillate unter der Marke "Mile High 69" fließen nun Desinfektionsmittel aus der Anlage. Auf die Idee brachte Renn ein befreundeter Apotheker, der händeringend nach entsprechenden Mitteln suchte. Und er hatte Glück: Denn Familie Renn, die auch das Hotel Burgunderhof im Ort betreibt, hat bei einem Urlaub zum Jahreswechsel in China den Ausbruch des Virus miterlebt – "da haben wir bereits geahnt, was auf uns zukommt", sagte Mutter Andrea Renn dem "Südkurier".

Wobei sich diese Ahnung zunächst eher auf das eigene Gin-Geschäft bezog. Kurzerhand wurden nämlich die Bestände an Bio-Ethanol aufgefüllt. Für die Versorgung der Region mit Desinfektionsmittel war das ein weiser Schritt: "Aktuell ist er nicht nur schwer zu bekommen, er ist auch unglaublich teuer. Der Preis hat sich teilweise verzehnfacht", erläutert Julica Renn.

Die Umstellung der Produktion hat der 32-jährigen ehemaligen Weinkönigin zwar einiges an medialer Aufmerksamkeit bis hin zum Frühstücksfernsehen eines Privatsenders verschafft, zurücklehnen ist dennoch nicht angesagt: Sechs Stunden pro Tag mischt und füllt sie von Hand das Desinfektionsmittel ab und klebt die Etiketten auf die kleinen Fläschchen, nebenbei arbeitet sie die Online-Bestellungen auf.

Parallel tüftelt sie zusammen mit dem Apotheker bereits an einem neuen Produkt: Aus dem Desinfektionsmittel soll ein Gel werden. Denn das sei sehr viel ergiebiger und man könne dadurch mit der gleichen Menge an Alkohol schlicht mehr herstellen.

Auch die Brauerein in der Region haben den Endpass an Desinfektionsmitteln erkannt. So hat die Brauerei Ketteter aus Hornberg 400 Liter Desifektionsmittel gespendet, die eigentlich zum Eigenbedarf selbst hergestellt werden. Das Mittel soll im Ortenau-Klinikum zum Einsatz kommen.

Und bei Alpirsbacher Klosterbräu bereitet man konkret den Einstieg in die Produktion in einem etwas größeren Maßstab nach. Denn: Bei der Herstellung von alkoholfreiem Bier setzt man in Alpirsbach nicht auf die "gestoppte Gärung", vielmehr entzieht man dem fertigen Bier in einem speziellen Verfahren den Alkohol – und hat damit den reinen Stoff ohnehin im Unternehmen. Nach Angaben von Geschäftsführer Carl Glauner wird daraus nun ein Desinfektionsmittel hergestellt, das speziell Kliniken-, Alten- und Pflegeheimen angeboten werden soll: "Wir haben ein eigenes Labor und unser Personal verfügt über die notwendigen Fähigkeiten." Wobei Glauner das Produkt ausdrücklich nicht zum Höchstpreis verkaufen will: "wir wollen fair anbieten, dort, wo Bedarf und Not ist."

Klar ist aber auch: Mit dem genannten Großauftrag ist nicht nur bei Schladerer die Krise nicht vorbei. Nach etwa zwei Wochen werde der Auftrag abgearbeitet sein, sagt Philipp Schladerer zu seinem "Sonderauftrag". Wie es danach weitergeht und wann sich gerade die Lage in der Gastronomie entspannt, ist offen. Auch die genannten Brauereien spüren die Auswirkungen, vor allem der Absatz von Fassbier für Restaurants und Lokale ist eingebrochen. Und bei "Mile High 69" ist man froh, wenigstens den Onlinehandel zu haben.

Dass Unternehmen sich umstellen müssen, sei in diesen Tagen nicht unüblich, bestätigt Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des badischen Industrieverbandes WVIB. „Das Coronavirus hat die Wirtschaft weltweit am Wickel. Wir müssen rasch umdenken, uns anpassen. Unsere Menschen können das – so gut es in einer Krise eben geht“, so Münzer. 

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