Die neuen Asozialen

Spätestens seit der Zumwinkel-Affäre gilt Steuerhinterziehung nicht mehr als Kavaliersdelikt. Econo-Herausgeber Klaus Kresse sagt, warum das Urteil noch viel härter ausfallen sollte

 
 

Hubertus Heil zählt nicht gerade zu den politischen Köpfen, denen man unbesehen zustimmen könnte. Aber dass er in seiner Amtszeit als SPD-Generalsekretär die Zwölfender unter den Steuersündern „Die neuen Asozialen“ nannte, kann Beifall finden. Die Wortwahl grenzt zwar ans Geschmacklose, doch die Richtung stimmt.

Sie wissen, worum es geht: Hier ist die Rede von den Klaus Zumwinkels dieser Welt, von CDs mit Steuersünder-Listen und von unserem Nachbarland Schweiz, das Steuerhinterziehung begünstigt – als Geschäftsmodell sozusagen.

Vorab eine kurze Klarstellung: Niemand zahlt gern Steuern. Auch ich nicht. Niemand versteht das verquaste deutsche Steuerrecht. Auch viele Finanzbeamte nicht. Niemand findet es gut, wenn es bei Steuerprüfungen zugeht wie auf dem arabischen Kamelmarkt. Auch die Steuerberater nicht.

Doch all dies rechtfertigt nicht, solchen Schwachsinn unter die Leute zu streuen, wie es etwa der Managementberater Reinhard Sprenger tut. Der versteifte sich zu der verwegenen Einlassung: „Steuerhinterziehung ist kein Indiz für eine moralische Krise, sondern Notwehr gegen einen gefräßigen Staat.“ Das sagte Sprenger nicht nach dem neunten Bier in seinem Partykeller, das sagte er stocknüchtern bei Anne Will vor dem deutschen Fernsehpublikum.

Ist der Mann noch zu retten?

Hätte er recht, wären Selbstjustiz und rechtsfreie Räume die Konsequenz. Wir könnten uns aller gesellschaftlichen Spielregeln entledigen und so egomanisch handeln wie jene Autofahrer, die beim Stau auf der Autobahn rechts ausscheren und sich via Rastplatz an zwanzig disziplinierten Fahrern vorbeimogeln.

An dieser Stelle muss eingeschoben werden, um was es bei Steuern eigentlich geht. Paul Kirchhof, dessen Idee eines schlüssigen Steuersystems im Jahr 2005 von der SPD wegpolemisiert wurde, hat es auf den Punkt gebracht: „… als die Staatsausgaben wuchsen und der Staat sich als Rechtsperson vom Fürsten löste, wurde die Steuer zu einer allgemeinen Abgabe … Diese Entwicklung stützt sich auf zwei Rechtsprinzipien: die Garantie der Freiheit, die in der Gewährleistung einer individuellen Eigentümer- und Berufsfreiheit die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit in privater Hand belässt, ­also das Staatsunternehmen strukturell ausschließt und deshalb den Staat veranlasst, sich durch Teil­habe am wirtschaftlichen Erfolg seiner Bürger, durch Steuern, zu finanzieren; sodann die Gleichheit aller Menschen …“

Freiheit und Gleichheit. Das sind die Stichwörter. Wer beides will, muss Steuern akzeptieren.

Nun gibt es immer Menschen, die nicht aus Einsicht handeln, sondern nur unter Zwang. Leider. Deshalb wird der kleine Schwarzarbeiter – zu Recht – mit aller Härte verfolgt. Und deshalb muss der Staat zugreifen, wenn ihm Steuersünder-Daten angeboten werden. Das mag formaljuristisch nicht der sauberste Weg sein. Doch die Alternative wäre ungleich schlimmer. Wir würden akzeptieren, dass Menschen, die sich trotz ihrer kriminellen Energie gern zur Elite zählen, auf Kosten der Gemeinschaft bereichern. Wir würden zulassen, dass von Steuergerechtigkeit keine Rede mehr sein könnte. Eine bessere Steilvorlage könnten sich Systemveränderer wie die bekennende Kommunistin Sahra Wagenknecht nicht einmal erträumen.

Doch mit den Daten-CDs ist es nicht getan. Unser Staat muss ­sicherstellen, dass die Steuer­betrugsfälle auch aufgearbeitet werden können. Im Fall Liechtenstein hat das nicht geklappt. Und er muss den Druck auf jene Länder erhöhen, die mit einem falsch ­interpretierten Bankgeheimnis dem Betrug Vorschub leisten.

Abgesehen davon: Wenn Zumwinkel & Co. Steuern hinterziehen, ist nicht ein anonymer Staat geschädigt, vielmehr müssen Sie und ich die Zeche bezahlen. Aber wie kommen wir eigentlich dazu? Ich würde den arroganten Zumwinkel nicht mal zum Bier einladen.

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