Danke, ihr Spekulanten

Erst stand die Bankenwelt Kopf. Jetzt wackelt Euroland. Econo-Herausgeber Klaus Kresse hat dazu eine ungewöhnliche Meinung: Nicht die Finanzhaie sind schuld, sondern wir selbst

 
 

Kurz Luft anhalten, dann zählen: 21, 22, 23. In diesen drei Sekunden hat Deutschland 13?443 Euro an neuen Schulden gemacht. Oder, um es korrekt zu formulieren: Wir haben den Schuldenberg erhöht. Sie, ich und die 82 Millionen anderen Deutschen, von denen – rein rechnerisch – jeder 20?865 Euro übernehmen muss. Babys, Hartz-IV-Empfänger und Rentner inkl­­usi­­ve.

Irgendwie ist es ja geisterhaft, wenn wir die gut 1,7 Billionen, die Deutschland kreditfinanziert hat, Staatsschulden nennen. Das klingt so, als würde Angela Merkel dafür den Kopf hinhalten. Oder Wolfgang Schäuble. Alles Unsinn! Politiker haben noch nie den Kopf für etwas hingehalten. Und für Schulden schon gar nicht.

Nun können wir in diesen Wochen eine sehr eigenartige Entwicklung beobachten. Kaum haben wir uns vom Lehman-Schock erholt, blicken wir mit Grausen in Richtung Griechenland. Dort, bei den vermeintlichen Erben von Homer und Aristoteles, haben wir die Schurken der Stunde ausgemacht. Was aus zwei Gründen Unfug ist. Zum einen, weil es sich bei den Griechen von heute vornehmlich um eingewanderte Albaner und Serben handelt, die mit dem klassischen Hellas nichts, aber gar nichts zu tun haben. Zum anderen: Wir können zwar über 50-jährige Rentner ebenso den Kopf schütteln wie über 14 Monatsgagen und marodierende Reformgegner. Dies alles vernebelt aber nur, dass wir selbst viel griechischer sind als wir glauben.

Ich rede nicht vom Retsina- und Ouzo-Trinken. Ich rede vom Über-die-Verhältnisse-Leben.

Zugegeben, wir stehen viel besser da als Griechenland. Oder Portugal. Oder Spanien und Irland. Aber wir müssen hinzufügen: noch. Denn wir sind schon mittendrin im Abstieg. Wir rasen mit hoher Geschwindigkeit auf die Betonwand zu. Aber wir bremsen nicht. Wir geben noch Gas.

Obwohl Deutschland rigide sparen und endlich einmal solide haushalten müsste, öffnet Berlin Mal ums Mal das Füllhorn. Hier die neuen Wohltaten für Hartz-IV-Empfänger. Da die Wohltaten für Familien. Dort die Wohltaten für darbende Hotelbetreiber.

Und dies alles, obgleich unser Gemeinwesen eigentlich pleite ist. Wäre Deutschland eine mittelständische GmbH, bekäme sie ein lausiges Rating und damit kein frisches Geld mehr.

Da scheint es schon keine Rolle mehr zu spielen, dass wir neben einem gigantischen Haushaltsloch jetzt auch noch rund 150 Milliarden Euro für die Stabilisierung des Euro stemmen müssen. Irgendwie sind diese Zahlen so schön groß, dass sich keiner die wahre Dimension vorstellen kann.

Nicht genug. Weil wir in deutscher Perfektion die Augenwischerei bis zum Exzess betreiben, wollen wir nicht sehen, dass die nächste Bombe auf uns zurollt: die Pensionsverpflichtungen von Bund, Ländern und Kommunen.

Bei den Pensionen ist es wie bei Renten. Als Wirtschaftswunder-Vater Ludwig Erhard vor den Fehlern der umlagefinanzierten Rente warnte, wurde er von Kanzler Konrad Adenauer abgebügelt. Er wisse, soll Adenauer gesagt haben, dass es zu Problemen kommen werde. Aber das passiere nach seiner Zeit als Bundeskanzler.

Und bei den Pensionen? Auch hier wurde nicht an die Zukunft gedacht. Viel zu spät erst wurden Rücklagen gebildet – und die auch nur in einem lächerlichen Volumen. Weshalb die jährlichen Pensionslasten beängstigend steigen: von 21 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf fast 91 Milliarden Euro im Jahr 2040.

So gesehen, lassen Sie mich mal zynisch sein, sollten wir den Spekulanten sogar danken. Dass sie zocken und auf den Verfall des Euro wetten, ist moralisch verwerflich. Doch wir haben sie dazu eingeladen. Weil wir selbst in Boom-Jahren neue Schulden auftürmen und damit den Angriff geradezu herausfordern. Erst die Spekulanten-Attacke zwingt uns zum soliden Haushalten. Aus Einsicht und Vernunft hätten sich die Politiker dazu nicht durchgerungen.

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