"Wir wollen keine Bittsteller sein"

Die Corona-Krise trifft Benji Blomenhofer und Jonas Hald hart – die Banken zeigen den Betreibern der Tin Tin Bar die kalte Schulter: Hilfe gibt's nicht. Deshalb haben die beiden mit Erfolg ein neues System etabliert

 
Foto: oh
 

Stuttgart. Die Corona-Krise trifft Gastronomen bekanntlich – ebenso wie Kulturschaffende – massiv. Benji Blomenhofer und Jonas Hald haben damit bittere Erfahrungen: Als sie ihre Tin Tin Bar aufgrund der Anordnungen schließen mussten, hofften sie auf Unterstützung durch die Banken. So wie es von Seiten der Politik angekündigt wurde. Doch was das Duo seit Wochen von den Instituten hört, klingt immer gleich: "Keine neuen Kunden." "Keine Gastronomen." "Abwarten, was der Staat entscheidet."

Konkret heißt es: Es gibt keine finanzielle Unterstützung.

Das bittere Fazit des gelernten Steuerfachangestellten Blomenhofer: "Wäre die Bar ein Unternehmen mit elf Mitarbeitern, würde der Staat 100 Prozent des Risikos eines KFW Darlehens übernehmen und die benötigten 50.000 Euro zur Überbrückung würden bewilligt." Das Fazit ist zwar bitter, einen Weg in die Zukunft weist es dem Duo aber nicht. Denn lange könnte das Tin Tin die Schließung nicht durchstehen.

Das wiederum hängt vor allem mit dem Geschäftsmodell der Bar zusammen: Blomenhofer und Hald setzen auf Nachhaltigkeit – und produzieren viele der Zutaten für die selbstkreierten Drinks mit Namen wie "Melissen Dissen" oder "Rhabarberbarbara" oder "Goosy & even more Lucy" selbst. Was wiederum zu einer geringen Haltbarkeit der Zutaten führt.

Die Bar einfach dicht machen und irgendwann wieder öffnen würde deshalb unweigerlich innerhalb kürzester Zeit zum Verlust von Wareneinsatz, Arbeitszeit führen. Vom Herzblut abgesehen

Und noch eine Überlegung treibt Blomenhofer und Hald um: Sie möchten keine Bittsteller sein, sehen Initiativen wie "Pay now, eat later" oder "Support your local bar" tendentiell kritisch. Nicht aus Arroganz! Sondern aus klaren betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus: Wer jetzt einen Gutschein kauft, der löst ihn später ein. Sprich: Das Geld kommt zwar jetzt rein, aber später dann eben nicht mehr – am Ende führt es zu einer Verschiebung von Umsätzen, was neue Löcher aufreißen kann.

Kurzum, aus all den "Zutaten" hat das Bar-Duo einen eigenen Mix kreiert: Man setzt auf Cocktails in der Flasche, die vorbestellt, dann abgeholt oder ausgeliefert werden. Dass man vor einiger Zeit formschöne Glasbehälter gekauft hatte, zahlt sich nun aus: Die Kunden haben im Sinne der Nachhaltigkeit ein Pfandsystem akzeptiert, bringen die Behälter wieder zurück und in einer erst Anfang des Jahres vorgestellten Maschine des Herstellers Meiko aus Offenburg werden die Flaschen innerhalb weniger Minuten wieder gereinigt.

Das Engagement der Barbetreiber zahlt sich aus! Statt Stillstand haben Blomenhofer und Hald nun alle Hände voll zu tun, um die über Internet oder Telefon eingehenden Bestellungen abzuarbeiten. Die Tage sind nun beinahe so lang, wie bei regulärer Öffnung. Trotz des Erfolgs hofft das Duo aber dennoch, bald wieder des Klingeln der Bartür zu hören – und die Gäste persönlich in Empfang nehmen zu können: "Das ist einfach ein Stück Normalität, für die Gäste und uns."

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