Warten auf den Wandel

Die Verkaufsmesse Automobil setzt eher auf Konventionelles, denn auf neue Antriebskonzepte – Händler verkaufen 500 Autos in drei Tagen

 
Foto: fwtm
 

Freiburg. Der technologische Wandel vom Verbrenner zum Elektromotor ist in aller Munde. Er bewegt die Industrie, gerade im Südwesten. Doch an den Verkaufsstellen ist er noch nicht richtig angekommen. Zum Jahresanfang lag der Anteil alternativer Antriebe unter den deutschen Pkw immer noch bei unter zwei Prozent. „Der Bestand an Elektro-Pkw stieg im Vergleich zum Vorjahr von 53.861 auf 83.175, der an Hybrid-Pkw von 236.710 auf 341.411“, heißt es im Jahresbericht des Kraftfahrt-Bundesamtes. Im Verhältnis zu den 47,1 Millionen Autos auf deutschen Straßen ist das nicht mehr als ein Nasenwasser. 

Auch in der Region ist das nicht anders. So meldet der Landkreis Waldshut einen Anteil von 0,2 Prozent, im Kreis Emmendingen sind es 0,3, im Ortenaukreis 0,7. Sogar die Stadt Freiburg hinkt mit 1,7 Prozent dem Bundesschnitt hinterher. Ein Umbruch sieht anders aus. Der Wandel? Er lässt noch auf sich warten. Die Zahl der Neuzulassungen ist – anders als auf Bundesebene – in der Region sogar rückläufig. Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald meldet sogar um zehn Prozent weniger Neuzulassungen als im Vorjahr. Auch in der Ortenau und im Landkreis Lörrach gibt es deutlich weniger neue Autos auf den Straßen. Freiburg meldet einen Rückgang von 3,5 Prozent bei den Neuzulassungen. Nur im Kreis Emmendingen ist die Zahl der Neuzulassungen moderat gestiegen. Aber nirgends hat sich die Zahl alternativ angetriebener Fahrzeuge spürbar erhöht.

„Es gibt verschiedene Antriebskonzepte“, stellt Tobias Gutgsell nüchtern fest. Er ist Geschäftsführer des BMW-Händlers Märtin und Sprecher der Autohändler in Südbaden. Sie veranstalten gemeinsam mit der FWTM zum 34. Mal die große Verkaufsschau für Neuwagen. Rund 60 Aussteller waren auf der Messe. Darunter 40 Marken aus 13 Ländern. „Da ist es leicht, Lust auf Auto zu machen“, so Gutgsell. Aber Lust auf Elektro? Das ist nicht der Auftrag.

Der Messeprimus ist der Ford-Händler Ernst + König. Er belegt allein fast die gesamte Halle 3. Voriges Jahr hat Ernst + König auf der Messe mehr als 200 Autos verkauft. Aber Elektro spielt bei Ford keine große Rolle. Der Kompaktwagen Focus ist zwar mit Elektroantrieb erhältlich. Fiesta, Mondeo oder Galaxy tanken konventionell.

Händler mahnen, man dürfe die Ökobilanz nicht allein am Kraftstoff festmachen. sondern müsse den gesamten Lebenszyklus betrachten. Die Batterie macht E-Autos schwerer und teurer als Verbrenner. Unklar ist auch, wie lang der Akku hält und wie er entsorgt oder gar recycelt wird. Deutsche Autobauer sind dabei von ausländischen Zulieferern abhängig, während etwa Diesel Made in Germany ist. Bauteile des konventionellen Antriebsstrangs zählen gerade im Südwesten zu überlebenswichtigen Produkten des Mittelstands. Etwas überspitzt könnte man sagen: Wer Autos mit Auspuff kauft, sichert dadurch seinen eigenen Job.

Auf der Automobil geht es nicht darum, die Zukunft zu präsentieren, sondern das Heute zu verkaufen. „90 Prozent der in Deutschland zugelassenen Marken sind vertreten“, sagt Messe-Chef Strowitzki. Vom Kleinstwagen für weniger als 10.000 Euro bis zum 300.000 Euro teuren Luxus. Parallel dazu wird die Tuning-Show zu einer Lifestyle-Party mit schickem Zubehör. 

Branchenbeobachter sagen seit Jahren das Sterben des stationären Autohandels voraus. Eine Studie der Unternehmensberatung PWC portraitiert die Autohäuser ratlos. Zwei von drei Autohäusern würden für die eigene Zukunft kein Geschäftsmodell sehen, heißt es da. Darauf angesprochen, guckt Tobias Gutgsell überrascht. „Nein“, sagt er. „Das Gegenteil ist der Fall.“

„Die Autohändler als solche werden nicht verschwinden“, sagt Felix Kuhnert, einer der Autoren hinter der PWC-Studie. „Aber sie werden ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln und um neue maßgeschneiderte Dienstleistungen rund um Mobilität und Beratung erweitern müssen.“

Noch drastischer zeichnet die Dekra die Zukunft der Händler. „Die Digitalisierung könnte die heutigen Strukturen im Automobilhandel aufsprengen“, heißt es da. Oder: Es könnte die über Dörfer und Kleinstädte mit der Gießkanne verteilten Händler enger zusammenschweißen, wie das Beispiel der Freiburger Messe zeigt. Hier sitzen Konkurrenten dicht an dicht. Jeder zeigt das, was er hat und versucht so zu überzeugen. Einer für alle, alle für 500 Neuwagen in drei Tagen.

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