Smartmile im gelobten Land

Der Startup aus Nagold wurde ins Silicon Valley eingeladen – der Logistikspezialist gehört damit zu den 40 heißesten Gründungen weltweit. Pakadoo, eine Firma mit ähnlichem Ansatz, wurde derweil flügge

 
Foto: smartmile
 

Nagold/Herrenberg. Seine Heimatstadt Nagold sieht IT-Unternehmer Steffen Luippold aktuell eher selten. Von den vergangenen 180 Tagen war er 150 unterwegs im Ausland. Viele davon in Finnland, Spanien, Estland – aber zuletzt in den USA; genauer Sunnyvale, dem Zentrum des Silicon Valleys. Hier ist die Liga der ganz Großen der Digitalisierung, es ist das gelobte Land der Start-ups aus aller Welt.

Gemeinsam mit seinen Co-Gründern Aku Happo (Finnland) und Frank van Os (Niederlande) war Luippold mit seinem Start-up-Unternehmen Smartmile vom dortigen "Plug and Play Tech Center" eingeladen, die Gründung und Business-Idee der Crême der Globalplayer auf der Anwenderseite vorzustellen. Aus dem Startup-Programm des "Plug and Play Tech Centers" sind in der Vergangenheit Internetgrößen wie Pay-Pal oder Dropbox hervorgegangen.

"Die Einladung zu diesem Spitzentreffen der IT-Innovationen war für uns schon ein Ritterschlag", erklärt Luippold – der dieser Tage mit seinem ursprünglichen Systemhaus "L-Trading" auf dem Nagolder Wolfsberg das 20jähriges Bestehen feiert. Von mehr als 1000 Start-ups weltweit seien hundert in eine engere Auswahl gekommen und "am Ende 40 tatsächlich eingeladen" worden, so Luippold. Darunter war eben auch Smartmile aus Nagold, um den sogenannten "Beauty-Contest" der IT-Innovationen zu absolvieren: Dabei dürfen sich die Unternehmen in Pitches möglichen Kunden und Investoren vorstellen.

Das für die Gründer Spannende dabei – neben der Tatsache, nun als eine der "40 heißesten Unternehmens-Gründungen weltweit" gehandelt zu werden: "Du sitzt den absoluten Top-Entscheidern der größten Unternehmen der Welt gegenüber. Sprichst auf Augenhöhe, hast sofort den direkten Kontakt. Normalerweise musst du dich bei einer Kalt-Akquise durch die kompletten Hierarchien durcharbeiten", zeigt sich Luippold noch immer beeindruckt.

Was das europäische "Dreigestirn" Luippold / Happo / van Os dabei überraschte: "Wir kamen tatsächlich dort in Kalifornien vor allem mit großen deutschen Unternehmen ins Gespräch." Mit welchen? Das unterliegt der Geheimhaltung, aber es sind auch hier die Top-Börsenwerte.

Wobei sich schon bisher die Kundenliste von Smartmile nicht zu verstecken braucht: für Media-Markt-Saturn, dem führenden Einzelhändler für Unterhaltungselektronik in Europa, konnte bereits ein Pilotprojekt (auf deren Unternehmens-Campus in Ingolstadt) erfolgreich umgesetzt werden, die Testphase läuft. In Finnland startete (mit dem dortigen größten Einzelhandelskonzern Kesko, vergleichbar der deutschen Edeka, sowie drei der größten nationalen Paketdienste) parallel ein großer Netzwerkausbau mit ersten Packrobotern in Helsinki, Turku und Tampere.

Womit man bei der Erklärung angekommen ist, was Smartmile eigentlich macht: das Unternehmen bietet Endkunden die Möglichkeit, Pakete sämtlicher Kurierdienste und Onlineshops konsolidiert an einem zentralen Ort abzuholen - und das 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Dafür werden an zentralen Standorten einer Stadt Paketstationen (Packroboter) aufgebaut, in Nagold etwa steht eine solche auf dem Parkplatz vor dem Radzentrum.

Was den Standort einer solchen Paketstation wiederum für stationäre Händler wie Media-Markt-Saturn so interessant macht, neben dem möglichen zusätzlichen Kundenverkehr auf ihrem Gelände: Die Box ist mehr als eine reine Paketstation, sondern ein vollautomatisiertes, modulares Regalsystem oder Warenlager mit integrierter Bezahlfunktion - die damit schier unendliche Anwendungsmöglichkeiten bietet.

Beispiel, wieder Media-Markt-Saturn in Ingolstadt: ein Kunde liefert morgens sein kaputtes Smartphone vor Ladenöffnung in der Box an, und holt es abends nach Geschäftsschluss wieder voll funktionsfähig ab; alles, was er dafür braucht, ist ein (natürlich funktionierendes weiteres) Smartphone, mit dem der Kunde sämtliche Prozesse auslöst.

Wie es jetzt weitergeht mit Smartmile? Die Technologie, mit der die Smartmile-Anwendungen arbeiten, sei komplett fertig entwickelt, erläutert Steffen Luippold - mit einem Bein fast schon wieder im Flieger nach Finnland. Weshalb es jetzt darum gehe, den technologischen Vorsprung des Unternehmens in Marktpräsenz umzusetzen: "Ziel ist ein flächendeckendes, europäisches Netzwerk mit Paketstationen."

Pakadoo verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie Smartmile, allerdings bislang fokussiert auf Deutschland (hier erfahren Sie mehr zur Gründung). Kernpunkt des Unternehmens: In Unternehmen oder an öffentlichen Orten werden am Empfang oder durch eine Packstation Anlaufstellen für Paketdienste geschaffen – und die Mitarbeiter der jeweiligen Firmen müssen nicht mehr hinter dem Paketboten hinterherrennen.

2015 wurde Pakadoo als Corporate Startup der LGI Logistics Group International in Herrenberg gegründet. Inzwischen hat das Unternehmen ein Netzwerk aus 300 Anlaufpunkten geschaffen, hat die Bahn als Kunden gewonnen, beispielsweise im Einkaufszentrum "Lago" in Konstanz einen ersten öffentlichen Anlaufpunkt geschaffen (ein kluger Schachzug, da hier auch Kunden aus der Schweiz Zugriff haben!) und ist eine Kooperation mit dem Logistiker DPD eingegangen. 

Allerdings war die Dynamik eines solchen Startups für LGI nicht mehr alleine zu stemmen. Deshalb wurde Pakadoo zu Beginn des Jahres auf eigene Beine gestellt: Der finnische Private-Equity-Spezialist Verso-Ventures hat die Mehrheit an der neuen GmbH übernommen, LGI bleibt mit einer Minderheit beteiligt. Für die Herrenberger wird die nächste Zeit deshalb aber nicht geruhsamer: Die Finnen haben den Anspruch, bei den Engagements in längstens fünf Jahren den Umsatz zu verdoppeln, besser zu verdreifachen. Schließlich soll sich ein Exit am Ende rentieren. 

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