Schiesser sortiert aus

Der Wäschehersteller baut am Stammsitz Arbeitsplätze ab – die Gewerkschaft spricht von zehn Prozent. Der Grund ist nicht allein die Pandemie

 
Foto: AdobeStock (Symbolbild)
 

Radolfzell. Mit einem Freiwilligenprogramm versucht der Wäschehersteller Schiesser aktuell Arbeitsplätze am Stammsitz abzubauen. Darüber hat der "Südkurier" zuerst berichtet. Die Gewerkschaft IG Metall spricht von 75 Beschäftigten, die in diesem Zug zum Weggang bewegt werden sollen – was gut zehn Prozent der Mitarbeiter am Stammsitz entspricht. Von Seiten des Unternehmens wollte man diese Zahlen nicht bestätigen, erst nach Abschluss der Verhandlungen werde es Auskünfte geben. Ein Zeitplan wurde nicht genannt.

Schiesser-Vorstandschef Andreas Lindemann betont aber: "Dem Unternehmen geht es grundsätzlich nicht schlecht." Allerdings sei man durch den Lockdown und die damit einhergehende monatelange Schließung von Geschäften "hart getroffen". Neben der Belieferung des Großhandels sind die eigenen 66 Outletverkaufsstellen sowie 22 Shops wichtige Standbeine. 80 Prozent des Umsatzes werden in Deutschland erwirtschaftet.  Zwar verfolgen die Radolfzeller schon länger eine Multi-Kanal-Strategie, doch die Zuwächse im Online-Geschäft hätten den Umsatzverlust im stationären Handel nicht ausgleichen können, so Lindemann.

Allerdings war bereits vor der Pandemie das Geld verdienen nicht einfach für Schiesser, wie der Blick in die Bilanz 2019 zeigt. Zwar hat man den Umatz um gut 2,2 Millionen Euro auf rund 181 Millionen steigern können und landete beim Ergebnis fast gleichauf wie im Vorjahr mit rund vier Millionen Euro. Doch Details verraten: Eine wichtigen Beitrag zu den schwarzen Zahlen leisteten damals schon Einsparungen im Vertrieb sowie im Personalbereich – die Zahl der Mitarbeiter sank um 31 auf 954. Und: einen signifikanten Anteil am Umsatzplus leisten die Linzenzmarken, allen voran Lacoste. Dieses Label legte um 32 Prozent zu, insgesamt spülten Linzen 32 Millionen in die Kasse.

Darin liegt zugleich ein Problem für Schiesser: Speziell die Erfolgslizenz Lacoste lief Ende 2019 aus und wurde nicht verlängert. Zwar konnten andere Marken lizensiert werden, ob die sich indes in kürzester Zeit so gut entwickeln bleibt abzuwarten – zumal in Zeiten einer Pandemie.

Wobei die Aussage von Schiesser-Chef Lindemann dennoch stimmig ist: wirklich Sorgen muss man sich um den Wäschespezialisten aktuell wohl nicht machen. Denn die Muttergesellschaft Delta Galil Germany Textile hat der traditionsreichen Tochter umfangreiche finanzielle Unterstützung zugesagt – die Ende 209 offenkundig noch nicht in Anspruch genommen wurden. Noch wichtiger: Es gab damals keine Bankverbindlichkeiten, ergo auch kein Druckmittel von dritter Seite.

Schiesser wurde 1875 im Tanzssal einer Gaststätte in Radolfzell von Jacques Schiesser gegründet. Das Untrnehmen gilt damit als Pionier im Bereich der Wäscheproduktion, die erst die Industrialisierung möglich gemacht hat. Auch in Sachen Feinripp hatte Schiesser die Nase vorn. Der Aufstieg des Unternehmens war rasant, noch 1996 beschäftigten die Radolfzeller 7000 Mitarbeiter, auch an mehreren Standorten im Land.

Danach ging es bergab, immer wieder gab es Entlassungswellen und Schließungen. 2009 dann die Insolvenz, die Insolvenzverwalter Volker Grub öffentlichkeitswirksam beenden konnte: Mode-Ikone Wolfgang Joop hatte damals Interesse an der Fortführung, aber auch ein Börsengang war geplant. Am Ende wurde daraus nichts, seit 2012 gehört Schiesser zur Isrealischen Delta Galil-Gruppe.

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