Keine Innovation ohne Risiko

IHK-Innovationsberater André Olveira spricht über Umweltschutz, Erfinder und wie er diese Themen bei der Kammer besetzen will

 
Foto: ihk
 

Herr Olveira, interessieren Firmen sich nur für Umweltschutz, wenn sie damit Geld sparen können?
André Olveira: Nein. Das ist sicher ein wichtiger Anreiz, aber mittlerweile gibt es durch Klimawandel oder die Diesel-Thematik ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Das Thema ist in den Köpfen präsent.

Nehmen wir mal Diesel. Als es hieß: „Es wurde gelogen. Diesel ist viel schmutziger “, – da hat man sich aufgeregt, aber nichts geändert. Jetzt drohen Fahrverbote – und die Leute fangen an, andere Autos zu kaufen.
Olveira: Bei der Debatte ging es ja plötzlich nur noch um Stickoxide, NO2 vor allem. Feinstaub und CO2 fielen da hinten runter. Was die Konzerne beim Diesel veranstaltet haben, war natürlich nicht sauber. Aber vom Prinzip her muss man sagen: Der Aufschrei kommt erst, wenn jeder auch privat betroffen ist – von Fahrverboten oder dem Wertverlust der Autos.

Können Sie, kann die IHK da auch erzieherisch oder aufklärend wirken? Kommen Unternehmer zu Ihnen und fragen: Was soll ich tun?
Olveira: Das passiert schon. Aber wir müssen natürlich selbst in die Offensive gehen und die Unternehmer teilweise auch zum Jagen tragen. Wir versuchen vor Ort in den Betrieben zu sein, um den Leuten die Augen zu öffnen. Unser größter Vorteil dabei ist die Neutralität. Unsere Mitglieder wissen, dass wir ihnen nichts verkaufen wollen, sondern lediglich einen Mehrwert für sie anstreben. Wir haben einen guten Überblick und kennen auch andere unabhängige Experten, die da mit einbezogen werden können.

In Freiburg soll der neue Stadtteil Dietenbach – quasi eine eigene Kleinstadt für 15.000 Menschen – klimaneutral werden. Spielt Ihnen das in die Karten?
Olveira: Definitiv. Jede Einzelmaßnahme ist gut für uns. Auch umweltfreundliche Gewerbe- und Industriegebiete helfen, weil sie immer relativ öffentlich entwickelt werden. Damit ist das Thema präsent.

Müsste es nicht Standard sein, dass jedes neue Wohnhaus oder Bürogebäude, jede neue Fabrik mehr Strom und Wärme produziert als sie verbraucht? Technisch ist das kein Problem.
Olveira:
Das ist eine schwierige Debatte, weil es ja auch noch um sozialen Wohnungsbau geht. Nicht alle Menschen können sich immer den höchsten Standard leisten.

Aber Menschen, die nur geringe Mieten zahlen können, haben doch am meisten davon, wenn die Nebenkosten sinken.
Olveira: Natürlich. Wenn sie eingezogen sind. Aber die Frage ist, was es kostet, diese Substanz zu errichten? Es gibt noch viele Altbestände. Diese auf klimaneutral oder Passivhausstandard umzurüsten, würde viel Geld kosten. Das treibt die Kaufpreise und Mieten nach oben.

Wenn man die Kosten eins zu eins an die Bewohner weitergibt. Muss man aber nicht.
Olveira: Richtig.

Die zweite Überschrift über Ihrer Arbeit lautet: Innovation. Können Sie einem Sechsjährigen erklären, was das überhaupt ist?
Olveira: Innovation ist der Versuch, neue Technologien und Produkte zu finden oder aber bestehende durch eine Erfindung oder kleine Änderungen besser zu machen.

Und Sie helfen dabei, sie beraten Erfinder?
Olveira: Auch. Wir bieten hier beispielsweise eine Erfinderberatung an, bei der etwa Patentanwälte hinzugezogen werden. Aber wir forcieren auch den Technologietransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft – sei es für Start-Ups oder etablierte Unternehmen.

Firmen benutzen Innovation heute oft als Modebegriff. Besteht nicht die Gefahr, dass das Wort zu sehr verwässert wird?
Olveira: Firmen benutzen es schon sehr oft, aber ich sehe darin keine Gefahr. Es gibt ja keine feste Definition. Innovation bedeutet, etwas zu verbessern. Wenn ich nur eine kleine Schraube austausche, darf ich schon von Innovation reden, auch wenn dies vielleicht nicht im ursprünglichen Sinn des Wortes ist. Aber so lange die Unternehmen besser werden, finde ich das in Ordnung.

Ist der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Erfinde wirtschaftlicher Erfolg?
Olveira: Man muss Risiko eingehen und bereit sein, von bekannten Wegen abzuweichen. Nicht alles so zu machen wie bisher. Dieser neue Weg braucht aber Zeit und Geld – finanzielle aber auch Humanressourcen. Viele sagen, sie seien innovativ, haften aber noch zu sehr an alten Prozessen. Dann wird es schwierig. Es braucht die Bereitschaft, sich zu wandeln.

Zu den Kunden der IHK gehören aber nicht nur die Sicks und Hekatrons. Es sind vor allem Kleinunternehmen – Nagelstudios, Kioske, Gemüsehändler. Was können diese Firmen tun, um innovativ zu sein?
Olveira: Da geht es nicht darum, neue Produkte zu erfinden. Die meisten produzieren ja auch gar nichts. Innovation spielt sich hier auf der Prozessebene ab. Der Gemüsehändler kann zum Beispiel den Lieferprozess überarbeiten. Kann er hier schlanker, effizienter arbeiten? Bringt der Umstieg von einem analogen auf einen digitalen Prozess Vorteile? Der Kunde bekommt davon oft gar nichts mit.

Freiburg hat eine sehr vitale und präsente Gründerszene, gerade auch durch das neue Kreativzentrum in der Lokhalle. Muss die IHK sich neu erfinden, damit sie auch besser wahrgenommen wird?
Olveira: Jetzt vermischen wir Innovation mit Gründerberatung – das ist eine andere Aufgabe, die bei uns im Referat Existenzgründung und Unternehmensnachfolge liegt. Dort findet seit vielen, vielen Jahren eine sehr aktive und erfolgreiche Beratung und Betreuung statt. Aber natürlich müssen auch wir innovativ bleiben. Das gilt für alle Bereiche.

Mein Eindruck ist: Wenn ich kreative Hilfe brauche, suche ich einen prominenten Investor, der das selbst schon gemacht hat. Zur IHK gehe ich, wenn ich keinen Steuerberater finde.
Olveira: Das möchte ich so nicht unterschreiben. Aber wir arbeiten natürlich auch mit neuen Formaten daran, dass wir gerade von jungen Unternehmern besser wahrgenommen werden.

Ihr Vorgänger Werner Reif hat vor 30 Jahren dieses Referat aufgebaut. Das war Pionierarbeit in der gesamten IHK-Landschaft, über Freiburg hinaus. Zuletzt hat er sich eher etwas zurückgezogen, ein Abschieds-Interview etwa hat er abgelehnt. Haben Sie sich mehr Öffentlichkeit vorgenommen?
Olveira: Ich denke nicht, dass er nicht mehr präsent war. Ich darf von ihm einen sehr gut laufenden Bereich übernehmen, der mittlerweile aus neun Mitarbeitern besteht. Er war damals Einzelkämpfer. Die IHK Südlicher Oberrhein ist im Land federführend für den Bereich Umwelt. Wir sind die zentrale Schnittstelle im Kontakt zu Landes- und Bundesministerien. Auch im Innovationsbereich spielen wir eine sehr gute Rolle. Diese Leuchtturm-Funktion ist ein Verdienst von Werner Reif. Aber wir werden uns darauf nicht ausruhen, sondern sehr aktiv sein und viel Präsenz zeigen. Sonst würden wir den Zug bei wichtigen Themen wie der Digitalisierung verpassen. Im Umweltbereich müssen wir allein durch gesetzliche Rahmenbedingungen immer wachsam und aktiv sein. Hier wollen wir natürlich auch die Firmen erreichen, zu denen bislang ein nicht so enger Kontakt besteht.

Wie sieht Ihr persönliches Ziel aus? Was wollen Sie nach einem Jahr erreicht haben?
Olveira: Wir werden in Kürze eine Strategieklausur unseres Referats machen, weil sich intern nun auch viele Aufgaben verschieben. Ein Inhalt wird sein, quantifizierbare Ziele zu definieren. Heute ist es noch zu früh, eine Zahl zu nennen.

Wie geht der Bürgerentscheid zu Dietenbach aus?
Olveira: (lacht) Dazu möchte ich mich nicht äußern.

Wo landet der SC Freiburg am Ende der Saison?
Olveira: Die Herren im gesicherten Mittelfeld – zwischen Platz 10 und 12. Die Damen können hoffentlich an die erfolgreichen Platzierungen der letzten Jahre anknüpfen.

Und wer wird Deutscher Meister?
Olveira: Ich denke Dortmund.

Herr Olveira, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person
André Olveira, 32, übernimmt zum Jahreswechsel die Leitung des Geschäftsbereichs Innovation und Umwelt und die Mitgliedschaft in der Geschäftsführung bei der IHK Südlicher Oberrhein von Werner Reif, der in den Ruhestand geht. Er stammt aus Löffingen und hat im Diplomstudiengang Technologiemanagement in Stuttgart studiert. Als Fußballer hat er es bis an die Schwelle zum Profi gebracht: Für die Stuttgarter Kickers hat er in der dritten Liga gespielt. Seine aktive Karriere hat er nach einer Knieverletztung beenden müssen. Er engagiert sich im Trainerstab der Frauen-Bundesligamannschaft des SC Freiburg. Seit sechs Jahren ist er bei der IHK in Freiburg.

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