Horst Siedle ist tot

Der Unternehmer starb nach langer Krankheit. Er galt aufgrund seiner Haltung schon zu Lebzeiten als Legende. Und seine Qualifikation, das Erbe des Traditionsunternehmens anzutreten, bewies er mit einem Hühnerstall

 
Foto: S. Siedle & Söhne
 

Furtwangen. Im Alter von 80 Jahren ist Horst Siedle gestorben. "Er erlag einer schweren Erkrankung, die er länger in Schach halten konnte, als alle Prognosen vorhergesagte hatten", wie es seine Frau und Geschäftsführerin der S. Siedle & Söhne, Gabriele Siedle, mitteilte. Schon seit einigen Jahren führt sie den traditionsreichen Hersteller von Anlagen zur Gebäudekommunikation wie Haustürklingeln (hier lesen Sie ein Porträt).

Horst Siedle erhielt dank seiner Haltung zahlreiche Auszeichungen: Konsequent setzte er sich für die Mitarbeiter und den Standort Furtwangen ein, erstere erhielten bereits ab 1977 eine Gewinnbeteiligung, letzterer bewahrte er in den 1980er Jahren dank einem zinsgünstige Kredit in Millionenhöhe vor der Zahlungsunfähigkeit. 38 Jahre lang saß der sozial-liberal eingestellte Horst Siedle im Gemeinderat – legendär sind hier seine Forderungen nach Steuererhöhungen – sowie 20 Jahre im Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises. 

Seine Haltung wurde sicher durch den Vater Max Siedle geprägt: Er ließ den Sohn im Berlin der Nazizeit trotz offizieller Verbote mit jüdischen Kindern spielen, weigerte sich als wohl einziger im Elektrogroßhandelsvertriebsverband, der NSDAP beizutreten – eine Weigerung, die Max Siedle mit Berufsverbot bezahlte. 

Doch so traditionsreich die Geschichte des Familienunternehmens ist, dessen Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen, für Horst Siedle war der Einstieg keine Selbstverständlichkeit. Er musste sich seine Position erarbeiten. Als Praktikant fing er 1957 an, lernte Löten und Montieren. Mit dem Aufbau der Schweizer Tochter von Siedle gelang ihm schließlich das Meisterstück: Binnen zehn Jahren wurde aus dem Ein-Mann-Ableger ein profitables Unternehmen. 1970 schließlich durfte er die Geschäftsführung der Muttergesellschaft übernehmen – er formt sie zum führenden Hersteller von Türklingeln, in Hochzeiten wurden umgerechnet 100 Millionen Euro umsetzt. Gemeinsam mit seine Frau Gabriele gelingt ihm ab Mitte der 1990er Jahre dann in der schweren Krise der Bauwirtschaft der Umbruch hin zum modernen Unternehmen. 

So beschwerlich sich der Einstieg von Horst Siedle in das Familienunternehmen auch liest, seinen Eltern muss die Geschäftstüchtigkeit des Sohnes sehr bewusst gewesen sein: Immerhin verkaufte der schon in jungen Jahren die Eier aus dem Hühnerstall der Familie. "Mit gutem Gewinn – ich musste ja nicht das Futter bezahlen", wie Horst Siedle Besuchern gerne verschmitzt erzählte. Der Hühnerstall steht – renoviert und mit anderer Funktion – bis heute auf dem Siedle-Gelände. 

Teilen auf

Das könnte Sie auch interessieren