Heckler & Koch feuert den Chef

Norbert Scheuch musste seinen Posten räumen – dabei machte der Waffenhersteller durch ihn gerade positive Schlagzeilen. Um die Gründe ranken sich Gerüchte.

 
Foto: Michael Kienzler für econo
 

Oberndorf. Die Pressemitteilung ist dürr. Sehr dürr. Scheuch sei "mit sofortiger Wirkung" abberufen worden, keine Begründung, kein Dank, kein Nachfolger. Finanzvorstand Wolfgang Hesse sei bis zur Berufung eines neuen Vorstands nun Alleinvorstand. Punkt.

Die Personalie überrascht zum aktuellen Zeitpunkt nicht nur die Mitarbeiter. Scheuch hatte mit seinem Einstieg vor kaum zwei Jahren dem an Finanzen und Image arg gebeutelten Unternehmen eine Kur verordnet: So sollten die Waffen aus Oberndorf nur noch in "grüne Länder" geliefert werden – zu der vom Konzern aufgestellten List zählen unter anderem Nato-Länder. Laut Bilanz wurden 2016 gut 96 Prozent der Konzern-Umsätze in Höhe von 202 Millionen Euro mit Lieferungen in "grüne Länder" getätigt.

Dazu kam eine überraschenden Offenheit von Scheuch. So gab er nach einer Aktionärsversammlung vor gut zwei Wochen dem SWR sogar ein Interview. Und innerhalb der nichtöffentlichen Versammlung in einem Wellness-Hotel unweit des Firmensitzes soll Scheuch auch offen mit Kritikern gesprochen haben.

Denn: Rüstungsgegner um Jürgen Grässlin haben es mit einigem Aufwand geschafft, im Zuge des Börsengangs von Heckler & Koch wenige Aktien zu erwerben. Und Grässlin hatte angekündigt, den dadurch möglichen Zugang zur Versammlung für kritischen Fragen nutzen zu wollen.

Was zuvor mit hoher Wahrscheinlichkeit vor wenigen Jahren zu einem Eklat geführt hätte, war nun unter Scheuch ein aufeinander zu gehen, wie Grässlin im Anschluss zu Protokoll gab: Vorstand und Aufsichtsrat hätten einen Dialog zugesichert. Allein diese Ankündigung sorgte für einige Aufregung – immerhin galt Heckler & Koch bis dato als eines der verschlossensten Unternehmen der Republik. 

Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat aber diese Offenheit einem Mann im Konzern nicht gepasst: Andreas Heeschen. Der Wahl-Londoner gilt als extrem verschlossen, hat Heckler & Koch vor Jahren aus einer finanziell prekären Lage befreit und soll heute zwei Drittel der Aktien besitzen. Ihm soll das Gefahren von Scheuch gegen den Strich gegangen sein, weshalb er die Absetzung betrieben habe, sagen Insider – und üben zugleich Kritik: Heeschen habe kein Gespür für die Befindlichkeiten der Öffentlichkeit. Von Seiten des Konzerns gibt es dazu naturgemäß keine Aussage, man beeilt sich aber zu betonen: An der neuen Ausrichtung der Waffenverkäufe solle sich nichts ändern.

Die Personalie kommt für Heckler & Koch aus mehreren Gründen zur Unzeit. Nicht nur, dass gleich drei Prokuristen in jüngster Zeit abgelöst wurden und mindestens ein Arbeitsgerichtsprozess anhängig ist. Auch das Gehalt von Scheuch könnte noch einige Jahre in der Bilanz der Oberndorfer zu finden sein. Zudem steht Heckler & Koch wegen unerlaubter Waffenverkäufe unter anderem nach Mexiko extrem im Visier der Ermittlungsbehörden. Das Umschwenken von Scheuch hätte hier eigentlich von Läuterung zeugen sollen. Und nebenbei bereitet der Konzern wohl die vorzeitige Ablösung einer 9,5 Prozent verzinsten Anleihe über 295 Millionen Euro vor.

Der schwerwiegendste Punkt ist aber: Aktuell läuft die Ausschreibung des Nachfolgemodells des G36 für die Bundeswehr. Ein Prestigeauftrag. Das Heckler & Koch-Gewehr G36 war in die Kritik geraten, weil es angeblich nicht zielgenau sei. Nun geht es um 120.000 neue Waffen, laut Branchenkennern hat der Auftrag einen Wert in Höhe von 500 Millionen Euro – und die Oberndorfer sind nicht der einzige Bieter. Anfang 2019 soll eine Entscheidung fallen.

Damit kommen auf den neuen Vorstand vielfältige Aufgaben zu.

Aber vielleicht zeugt die Ablösung von Scheuch auch von einem radikalen Umbruch bei Heckler & Koch: Das Unternehmen baut aktuell eine Fabrik in den USA auf. In einschlägigen Foren wird darüber spekuliert, dass der traditionsreiche Waffenhersteller gleich noch den Firmensitz verlegen könnte. Tenor: Dann sei man die Restriktionen der deutschen Politik los. Zumindest aber könnte man die neuen Kapazitäten nutzen, um die Liste der "grünen Länder" zu umgehen, so die Spekulationen. Ein Vorgehen, mit dem Scheuch dem Vernehmen nach überhaupt nicht einverstanden gewesen sein soll.

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