Ernst Prost ist sauer

Der Chef des Ölspezialisten Liqui Moly geht einen ungewöhnlichen Schritt: Er macht eine IT-Panne öffentlich – und kommentiert sie mit harschen Worten. Die Konsequenzen daraus sind bemerkenswert

 
Foto: Liqui Moly
 

Ulm. Eine solche Mitteilung kommt nicht alle Tage auf den Tisch – schon allein wegen des dazugehörigen offiziellen Bildes: Es zeigt einen wütenden Ernst Prost! Und dann die Aussagen des Geschäftsführer der Liqui Moly: "Ich habe mich in meinem Berufsleben noch nie so oft bei meinen Kunden entschuldigen müssen wie in den vergangenen sechs Monaten. Was wir zurzeit an Leistung abliefern, schmerzt mich zutiefst."

Was ist geschehen? Eigentlich eine Routineaktion. Bei Liqui Moly sollte eine Jahrzehnte alte Unternehmenssoftware ersetzt werden, über die vom Einkauf bis zu Produktion, Logistik und der Rechnungsstellung alles abgewickelt wird. Nach jahrelanger Vorbereitung sollte mit dem Jahreswechsel die neue Lösung an den Start gehen. Allerdings gab es dabei laut Mitteilung erheblich größere Probleme, als man erwartet hatte. Prost: "Trotz der Unterstützung durch renommierte Softwarehäuser gelingt es uns noch immer nicht, auf dem Level zu produzieren und zu liefern, das wir und das unsere Kunden von uns erwarten."

Das alles führt zu erheblichen Mehrkosten, weil Container nur halb gefüllt werden, Speditionen warten müssen und generell Ware nicht rechtzeitig ankommt. Und natürlich auch aufgrund der Umstellung an sich: "Zu den gewaltigen Kosten für die Softwareumstellung als solche kommen jeden Tag neue für Fehlersuche und Problembeseitigung", so Prost. 

All das schlägt sich natürlich in den Zahlen nieder: Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018 ging der Umsatz in diesem Jahr zwar nur um 0,8 Prozent auf 259,6 Millionen Euro zurück – aber auch nur, weil laut dem Unternehmen der Auftragsbestand aufgrund der IT-Probleme nicht richtig abgearbeitet werden konnte. Allerdings fiel der Halbjahresertag um satte 30 Prozent auf elf Millionen Euro. 

Das bittere Resümee von Prost: "Ich hätte nie gedacht, dass eine Softwareumstellung im Jahr 2019 ein ganzes Unternehmen dermaßen ins Schleudern bringen kann."

Die Konsequenzen aus dem Desaster? Prost: "Blinden Aktionismus in Form von Kurzarbeit oder Stellenabbau wird es bei uns nicht geben." Vielmehr werde man weiter neue Mitarbeiter einstellen und Märkte erschließen, um den Expansionskurs beibehalten zu können. Zugleich kündigte der Geschäftsführer weitere Investitionen an. So soll ein neues Zentrallager die Logistik vereinfachen: "Die aktuellen Probleme haben uns Bereiche aufgezeigt, wo wir investieren, um noch besser zu werden." 

Bis zum Jahresende will Prost übrigens die IT-Probleme in den Griff bekommen haben.

Liqui Moly wurde 1957 gegründet und bietet heute mit rund 4000 Artikeln eine nach eigenen Angaben "weltweit einzigartige" Breite im Sortiment an Automotive-Chemie. Das Unternehmen verlauft die Produkte in mehr als 120 Länder und erwirtschaftete 2018 einen Umsatz von 544 Millionen Euro. Liqui Moly gehört heute um Würth-Konzern. Aufgefallen ist Liqui Moly immer wieder auch mit Rekord-Beteiligungen für die Mitarbeiter.

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