Dietz: "Deutsche Ingenieure werden über den Tisch gezogen"

Der Aufsichtsratchef des IT-Konzerns GFT rechnet in einem Interview mit der Digitalstrategie der hiesigen Industrieunternehmen ab: "Sie wissen noch nicht einmal, was sie nicht wissen"

 
Foto: GFT AG
 

Stuttgart. In einem Interview mit dem "Handelsblatt" hat Ulrich Dietz kaum ein gutes Haar an den hiesigen Automobilkonzernen und Industrieunternehmen gelassen: "Viele Unternehmen wirken auf mich, als wüssten sie nicht einmal, was sie nicht wissen, und entsprechend orientierungslos schlingern die Konzerne im digitalen Sturm."

Als Beispiel nennt der Gründer und heutige Aufsichtsratschef des IT-Konzerns GFT die Tatsache, dass viele Konzerne noch nicht einmal die Digitalisierung als Vorstandsressort verankert hätten – dennoch würde man immer neue Ankündigungen machen: "5000 neue IT-Stellen zum Ersten, 10.000 zum Zweiten und 15.000 zum Dritten. (lacht) Bisweilen reib' ich mir verwundert die Augen. (…) Dahinter steckt wohl mehr Marketing als durchdachte Umsetzung."

Laut Dietz würde zuviel Aktionismus betrieben, während wertvolle Zeit verstreiche. "Software sells Hardware" sei der neue Ansatz, "das hat der Wettbewerb aus dem Ausland längst erkannt, wie Dietz mit Blick auf Tesla sagt: "Die Geschäftsmodelle der Zukunft sind nicht mehr nur der Verkauf des Automobils mit anschließender Wartung und ein paar Fußmatten. Vielmehr sind es die unendlich vielen, digitalen Lösungen, die den Profit einbringen."

Wobei der GFT-Mehrheitseigentümer die Probleme nicht allein im Vorstand der deutschen Unternehmen ausmacht. Auch zwischen den immer noch im Kern mit Fahrzeug- und Maschinenbauern besetzten Entwicklungsabteilungen und den irgendwie angedockten IT-Ablegern stimme die Chemie nicht. Hier die "Ewiggestrigen", dort die "Querulanten". Das Problem laut Dietz: "Ein Betriebssystem oder eine Maschinenbau-Plattform zu entwickeln erfordert eine andere Arbeits- und Denkweise und unterscheidet sich fundamental von der Entwicklung eines neuen Motors oder einer Werkzeugmaschine."

Schlimmer noch für den GFT-Aufsichtsratschef: Konzerne wie Daimler und Volkswagen verkauften die neuen Kooperationen mit den Techgiganten wie Google, Amazon oder dem Chiphersteller Nvidia als großen Erfolg. Dietz: "Ich habe Bedenken, dass unsere deutschen Ingenieure schlichtweg von den internationalen IT-Giganten über den Tisch gezogen werden (…) Im Grunde genommen geht es aber im Wesentlichen nur darum, dass diese IT-Giganten Industrieexpertise erlangen. Das ist das Einzige, was sie nicht haben."

Ulrich Dietz war zunächst Geschäftsführer der 1987gegründeten Gesellschaft für Technologietransfer, kurz GFT, später Vorstandschef. 2017 wechselte er in den Aufsichtsrat. Er ist mit 26,3 Prozent der Mehrheitseigentümer des IT-Konzerns. Seit 2003 arbeitet er im Präsidium des Branchenverbandes Bitkom mit und hat seit 2017 eine eigene Venture Capital-Gesellschaft – sein Engagement für Start-ups unter anderem mit der Messe "Code-n" gilt seit Jahren als wegweisend.

Teilen auf

Das könnte Sie auch interessieren