"Die offene Art ist entwaffend"

Verbände und Kammern üben einhellig harsche Kritik an den jüngsten Beschlüssen zur Pandemie-Bekämpfung. Jetzt wurde die Regelung zurückgenommen und WVIB-Präsident Thomas Burger fragt: "Wann kommt ein schlüssiges Konzept?"

 
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Stuttgart/Freiburg/Villingen-Schwenningen. Die aktuelle Entwicklung rund um die Rücknahme der "Ruhetag"-Regelung hat WVIB-Präsident Thomas Burger zu einem Statement veranlasst: "Die offene Art von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihren Fehler einfach zuzugeben, ist entwaffnend. Gut, dass Berlin auf Bürger und Wirtschaft ab einer gewissen Lautstärke hört. Gut, dass der schlechte April-Scherz nicht Wirklichkeit wird. Gut wäre es auch, wenn wir aus diesem Vorgang lernen und keine nächtlichen Schnellschüsse rausballern, die als Querschläger nur irritieren. Wann kommt ein schlüssiges Konzept, das medizinische Anforderungen und öffentliches Leben klug abwägt und die Menschen mitnimmt?"

/ "Die Unternehmer laufen bei uns Sturm wie noch nie zuvor", wird WVIB-Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer in einem ersten Statement "zum überraschenden Vorhaben von Bundesregierung und Landesregierungen, den kommenden Gründonnerstag und den Karsamstag kurzfristig juristisch zu Zwangs-Urlaubstagen für ganz Deutschland zu erklären, an denen alles ruhen solle". Münzer weiter: "Unzählige Stimmen sind fassungslos über den 'konfusen Aprilscherz', der wenig bringt, viel kostet und noch mehr Fragen auslöst, die noch immer nicht beantwortet sind. Die Regelung sorgt für ein großes Durcheinander."

"ieferketten würden unterbrochen, Arbeits- und Schichtpläne durchkreuzt, offen sei die Frage, wer mit Ausnahmegenehmigung arbeiten darf und ob dann Feiertagszuschläge gezahlt werden müssen. Allein die Diskussionen darüber verschlingt Ressourcen, die man gerade jetzt dringend benötige, so der Hauptgeschäftsführer abschließend.

WVIB-Präsident Thomas Burger ergänzt: "Die Politik spielt gerne den Retter. Zum Retten braucht man aber einen Plan, der funktioniert und ankommt. Blinder Aktionismus bringt nichts, er zerstört Ressourcen und vor allem Vertrauen. Die Bevölkerung beginnt sich von einer Politik abzuwenden, die sich planlos von einem Moment zum nächsten hangelt und Bevölkerung und Wirtschaft die Zeche zahlen lässt. Lockdown und Schuldenmachen kann jeder, Impfen können wir leider nicht."

Steffen P. Würth, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg, kritisiert die Ergebnisse des jüngsten Bund-Länder-Treffen ebenfalls als kaum nachvollziehbar: "Nach mehr als einem Jahr der Pandemie ist ein solches Ergebnis mehr als enttäuschend für unsere Unternehmen, die sich endlich eine belastbare Öffnungsperspektive erhofft haben." Einzelhandel, Gastronomie, Veranstalter und Dienstleister müssten weiterhin mit Stillstand kämpfen, nicht wenige stünden vor dem endgültigen Aus.

Zu der fehlenden Öffnungsperspektive komme jetzt laut IHK eine rechtlich noch unbestimmte "Erweiterte Ruhezeit zu Ostern" hinzu. "Uns als IHK erreichen eine Vielzahl an Anrufen und E-Mails von Unternehmen, die nicht wissen, ob am Gründonnerstag gearbeitet werden kann oder nicht, weil der Bund noch einen Vorschlag zur rechtlichen Umsetzung einschließlich der Begründung vorlegen muss. Ein vollständiger Lockdown wäre absolut unakzeptabel – vor allem, da große Zweifel bestehen, ob ein geschlossener Tag die Inzidenz nachhaltig beeinflussen wird. Die Kosten dieses Schließtages für unsere bereits angeschlagenen Betriebe dagegen wären immens und wirft die Unternehmen aller Branchen weiter zurück", so Würth.

Wiederum fehle es an einem ganzheitlichen Plan, der die umfangreichen Hygienekonzepte und Anstrengungen der Betriebe anerkennt. "Es steht zu befürchten, dass die neuerliche Verlängerung der bereits mehrfach beschlossenen Maßnahmen mehr schaden als nutzen. Wir müssen testen, wir müssen impfen, wir brauchen eine funktionierende App und schnelle finanzielle Unterstützung. Und wir müssen endlich auf die Eigenverantwortung der Wirtschaft und der Bürger setzen statt immer nur den Lockdown zu verlängern. Denn die Akzeptanz schwindet immer mehr – ohne sie wird es nicht gehen", fordert der IHK-Vizepräsident.

Nach dem beschlossenen radikalen Oster-Lockdown und der Verlängerung des Lockdowns von Bund und Ländern bezeichnete die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg (HBW), Sabine Hagmann, die vorherrschende Corona-Politik als "verfehlte Politik, die die Händler weiter in den Ruin treibt".

"Die Politik hat anscheinend keine Alternativen mehr zu harten Lockdowns", so Hagmann. Und weiter: "Das ist das eigentliche Versagen in einer Zeit, in der der Handel eigentlich dringend Unterstützung benötigt." Stattdessen werde der Handel in den Ruin getrieben.

Der neueste Corona-Beschluss habe eindeutig gezeigt, dass "Bund und Länder weiterhin wie gebannt auf die Inzidenzen starren". Stattdessen müsse man dringend wegkommen von einer alleinigen Betrachtung der Inzidenzwerte als Grund für Schließungen, hin zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung aller relevanten Indikatoren.

Der Verband fordert daher weiterhin eine belastbare Strategie für das Leben mit dem Virus statt sich von Lockdown zu Lockdown zu hangeln. Für die Händler überlebenswichtig sei insbesondere eine Test-, Impf- und Nachverfolgungsstrategie sowie die sofortige Öffnung der Geschäfte unter vertretbaren und wirksamen Hygienekonzepten, sowie die Entschädigung der Handelsunternehmen für ihr Sonderopfer.

Der Landesregierung hat der Verband bereits nach eigener Aussage "vor mehreren Wochen eine kompetente und umsichtige Öffnungsstrategie vorgelegt, die aber unbeachtet blieb". Als unsinnig und kontraproduktiv bewertet der HBW die geplante Schließung der Lebensmittelhändler am Gründonnerstag.

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