„Arbeitszeit ist nicht mehr das Maß“

Sponsored Post: Im Interview erklärt Liebich & Partner-Vorstand Günter Walter, warum das Ergebnis in den Fokus rückt, was er von Home-Office hält, wie es mit den Innenstädten weitergehen kann und warum er auf die Diskussion mit Arbeitnehmervertretern gespannt ist

 
Foto: oh
 

Vorab gefragt, Herr Walter: Wie haben Sie die vergangenen Monate und die beginnende "neue Normalität" erlebt?

Günter Walter:
Die vergangenen Monate waren für unsere Kunden und uns eine große Herausforderung. Nach dem Lockdown im März, hat ein Großteil unseres Teams vom Homeoffice ausgearbeitet und wir sind nur mit dem Führungskreis vor Ort in Baden-Baden geblieben. Erstens wollten wir sicher erreichbar sein für unsere Kunden, die einen erhöhten Kommunikationsbedarf und Fragen hatten. Und zweitens war uns sofort klar, dass wir Maßnahmen zur Kostensteuerung einleiten müssen.

Wir hatten zu diesem Zeitpunkt volle Auftragsbücher in der Personalberatung, konnten aber unsere Kandidaten und unsere Auftraggeber in den Unternehmen nur noch per Video-Konferenzen und nicht mehr persönlich treffen. Die Kollegen im Bereich Führungskräftetraining und der Managementberatung hat der Lockdown noch härter getroffen, weil Sie physisch nicht mehr in die Unternehmen kommen durften, um mit den Menschen vor Ort zu arbeiten. Und gleichzeitig haben wir das getan, was wir im Rahmen unserer Unternehmensentwicklung schon länger betreiben: Wir haben unsere digitalen Beratungsformate und Tools verfeinert und sozusagen in den laufenden Betrieb integriert.

Unsere Industriekunden erleben diese Pandemie und deren Auswirkungen je nach Branche und Internationalität des Geschäftes sehr unterschiedlich. Waren am Anfang vor allem die Lieferketten aus China unterbrochen, warten jetzt viele auf das Anziehen der Konjunktur, die ja für 2021 vorausgesagt ist, um wieder durchzustarten.

Gleichzeitig nehmen wir vor allem bei unseren mittelständischen Kunden ein neues Selbstbewusstsein und Ausrichtung auf die Zukunft wahr. Die Corona-getriebene Schockstarre weicht zunehmend rationalem Handeln und konsequenter Zukunftsausrichtung. Das ist unsere Formel von "neuer Normalität" - immer mehr Organisationen lassen sich dabei von uns begleiten und betreuen.

Welche Veränderungen durch Corona bei der Personalsuche erkennen Sie bereits? Suchen Unternehmen anders - oder überhaupt noch?

Günter Walter:
Es sind Veränderungen bei der Personalsuche festzustellen, die allerdings sehr branchenspezifisch sind. In der Industrie versuchen alle Unternehmen ihre Fachkräfte zu halten, um rasch wieder durchstarten zu können. Dafür waren die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen Kurzarbeit und Überbrückungshilfen im Einsatz. Interessant übrigens die Reaktion potenzieller Kandidaten: viele wollen nicht mehr wechseln, weil sie Angst haben im neuen Unternehmen gegebenenfalls in der Probezeit aufgrund schwieriger Wirtschaftslage gekündigt zu werden.

Der latente Bedarf wichtige Positionen zu besetzen, ist inzwischen wieder deutlich spürbar. Er war in den letzten Monaten aufgeschoben und kommt jetzt zur Realisierung. Da auch Führungskräfte bei einem Wechsel volle Transparenz über die wirtschaftliche Situation des Zielunternehmens haben wollen, kommt uns als Personalberatern eine wichtige Rolle zu: Wir müssen die notwendigen Informationen beschaffen und die wirtschaftliche Lage einschätzen und kommunizieren zu können. Deshalb führen Anzeigengestützte Suchen, trotz zahlreicher Bewerbungen, selten zum gewünschten Erfolg. Hier hilft nur die gezielte Direktansprache geeigneter Kandidaten!

Zeigen sich Trends und Zukunftsthemen nun verstärkt bei der Personalsuche? Werden also verstärkt Digitalspezialisten und ähnliche Personen gesucht? Corona hat den Transformationsdruck offenkundig noch mal erhöht...

Günter Walter:
Das ist definitiv der Fall. Es gibt kaum mehr eine Position, bei der das Vorantreiben der Digitalisierung von Prozessen nicht im Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle steht!

Vertriebspositionen stehen ebenfalls ganz vorne auf der Prioritätenliste der Unternehmen. Auch hier werden digitale Kompetenzen beispielsweise in der Produktvermarktung, bei digitalen Vertriebskonzepten und in der internationalen Kommunikation gefordert.

Und nicht zu unterschätzen: die Demografie schlägt unaufhaltsam zu - die Babyboomer Jahrgänge wechseln nach und nach in den Ruhestand und hinterlassen Lücken auf vielen Positionen. Wir unterstützen hier mit Nachfolgekonzepten und einer detaillierten Personalplanung.

Wie bewerten Sie den Trend zum Home-Office?

Günter Walter:
Homeoffice ist in den Unternehmen dauerhaft nur in bestimmten Bereichen möglich, beispielsweise auf Sachbearbeitungspositionen und bei überwiegend administrativen oder konzeptionell ausgerichteten Aufgaben. In der Fertigung ist das kaum möglich und bei Führungskräften nur eingeschränkt. Homeoffice und Digitales Arbeiten funktioniert aus unserer Sicht dort besonders gut, wo gut eingearbeitete Mitarbeiter und klare Prozesse mit Systemstrukturen bestehen.

Mir persönlich gefällt der Begriff "Home-Office" nicht so richtig! Es geht letztlich um vernetztes und agiles Arbeiten, in Verbindung mit viel Disziplin und klaren Absprachen. Am Ende ist die Währung die "erbrachte Leistung" mit sichtbaren Ergebnissen.

Was macht das mit Unternehmen?

Günter Walter:
Viele Unternehmen sind auf diese Art zu Arbeiten überhaupt nicht vorbereitet. Agiles Projektmanagement und agile Arbeitsmethodik sind die Voraussetzungen dafür. Eigentlich muss zuerst die Digitalisierung der Prozesse abgeschlossen sein, um danach voll digitalisiert zu Arbeiten.

Was alle jetzt gelernt haben ist "die Video-Konferenz" - das wird einige Reisen überflüssig machen und solche Besprechungen kann man von überall machen. Dazu muss man nicht vor Ort im Büro sitzen!

Was raten Sie Unternehmen bezüglich Personalführung oder auch rechtlichen Fragen beim Homeoffice?

Günter Walter:
Ich rate Unternehmen zu Klarheit und Transparenz in der Frage, für wen, wie und in welchem Umfang Home-Office in den Unternehmen zugelassen wird und wo es im Sinne der Produktivität sinnvoll ist. Am Ende kann diese Möglichkeit des ortsungebundenen Arbeitens auch als Ungerechtigkeit von den Menschen empfunden werden, deren Arbeit nur vor Ort erledigt werden kann.

Einige Politiker und die Gewerkschaften möchten ja am liebsten schon "das Recht auf Home-Office" festschreiben. Das muss, nach unseren Erfahrungen, in der Verantwortung der Unternehmen bleiben. Die internen Strukturen und Geschäftsmodelle sind viel zu unterschiedlich. Das können Unternehmen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder deren Vertretern nur individuell und vor Ort in den Betrieben regeln.

In der Mitarbeiterführung bedeutet das für mich einen Change: nicht mehr die Arbeitszeit ist die relevante Maßeinheit für die Leistung der Arbeitnehmer, sondern die erbrachte und nachvollziehbare Leistung, wie die bearbeiteten Fälle, erbrachter Umsatz, zeitlich definierte Berichte... Auf diese Diskussionen auch mit den Arbeitnehmervertretern bin ich sehr gespannt. Diese sind meines Erachtens aber notwendige Voraussetzung für schnelle, marktorientierte und schlagkräftige Organisationen der Zukunft.

Wagen Sie abschließend einen Blick in die Glaskugel: Wird die "neue Normalität" unsere Art zu arbeiten tatsächlich nachhaltig ändern?

Günter Walter:
Ich sehe sehr viele Chancen darin, weil es einen Change in Richtung "ergebnisorientiertes Arbeiten" bringen wird. Das wird der Wirtschaft in Verbindung mit der Digitalisierung von Prozessen im administrativen Bereich einen Effizienzschub bringen.

Wir sprechen seit längerem von neuen Führungsprinzipien beispielsweise. "Charismatisches Loslassen" - die neue Normalität beschleunigt dieses neue Denken und Handeln in den Unternehmen. Auch agile Prinzipien der Zusammenarbeit werden zur Normalität, aber eben nicht dogmatisch und immer, sondern da wo es Sinn macht.

Im Vergleich zur Arbeit in der Produktion hinkt der Verwaltungsbereich in den Unternehmen in puncto Effizienz deutlich hinterher. Es wird aber auch eine neue Generation von Mitarbeitern und Führungskräften brauchen, die das Umsetzen wollen und können. Eine Folge ist jetzt schon klar: Wir werden weniger Büroflächen benötigen und der Individualverkehr könnte reduziert werden.

Was bedeutet das für Bauunternehmen, Büroausstatter und ähnliche Dienstleister?

Günter Walter:
Das wird zumindest was die Büroflächen in den Innenstädten angeht nicht ohne Folgen bleiben. Allerdings ist der Bedarf an Wohnraum so groß, dass viele der Büros in Wohnungen umgewandelt werden könnten. Das würde zusätzlichen Umbaubedarf für Bauunternehmen bedeuten und den Flächenverbrauch in der Peripherie der Großstädte reduzieren. Zeitgleich wird der Bedarf an flexiblen Büroflächen steigen, die die Unternehmen punktuell und für Projekte anmieten können. Davon werden auch Ausstatter und Dienstleister profitieren. Auch hier gilt auf der Planungs- und Konzeptseite: wir brauchen neue Konzepte, manche nennen es New-Work. Die Beweglichkeit und organisatorische Leichtfüßigkeit von Organisationen werden eine der zentralen Herausforderungen - auch für die Ausstatter und Planer...

Und für die Innenstädte? Die Stadtverwaltung von London hat bereits Alarm geschlagen, weil durch Home-Office der gesamte Dienstleistungssektor im "Ökosystem Innenstadt" gefährdet wird...

Günter Walter:
Die Folge von weniger "Büroarbeitern" in den Innenstädten wird vor allem die Infrastruktur der Innenstädte wie Restaurants, Cafés, Hotels und den Handel treffen. Auch hier sollte man sich klarmachen: Corona ist kein Auslöser, lediglich ein Beschleuniger, zumindest unsere Experten berichten aus vielen Fachkreisen: Stadtentwicklung und urbane Konzepte stehen bereits seit zehn Jahren in einem radikalen Wandel - innerstädtische Konzepte werden immer stärker auf Lebensqualität ausgerichtet, weg von mehr Verkehr. Zur Lebensqualität gehören auch adäquate und attraktive Einkaufskonzepte und Erlebnisse - und am Ende auch neue Formen von Arbeiten und Kommunizieren, Workspace-Konzepte gehören nicht umsonst zu den boomenden Branchen, in gut erreichbaren innerstädtischen Lagen wird das ein Thema bleiben.

Mitarbeiter in der Produktion sind bei dieser "neuen Normalität" gefühlt, irgendwie außen vor...

Günter Walter:
das ist in der Tat ein Problem, das ich bereits angesprochen habe. Das wird nicht zu ändern sein, da es wohl kaum einen neuen Trend zur "Heimarbeit" geben wird. Deshalb muss für Arbeit im Home-Office ein transparentes Leistungsziel gelten. Und gleichzeitig gelten die Anforderungen an die SmartFactory mit fortschreitender Automatisierung, höchstmöglicher Digitalisierung über allen Produktionsprozessen. Viele Arbeitsplätze werden in Produktionsbereichen reduziert werden, eine der wichtigen Herausforderungen bleibt - genau diesen Mitarbeitern Perspektiven zu geben.

Wie sicher sind Sie, dass die "neue Normalität" so kommen wird, wie Sie es beschrieben haben? Oder ist die "neue Normalität" vielmehr eine "sich dauernd wandelnde Normalität"?

Günter Walter:
Mit der neuen digitalen Generation wird es neue und andere Arbeitsformen geben. Davon gehen auch alle einschlägigen arbeitswissenschaftlichen Studien aus. Die Fabrik der Zukunft wird noch mehr steuernde und überwachende Arbeitsformen haben, die mehr Remote-Arbeit ermöglichen wird. Allerdings muss man dann auch schnell vor Ort in der Fabrik sein können, um Störungen zu beseitigen. Deshalb gehen diese Modelle auch auf die Verbindung von Wohn- und Arbeitssituationen aus. Es wird deshalb eine sich "dauernd wandelnde Normalität" geben. Die Zyklen, in denen wir Veränderungen bewältigen müssen, werden immer kürzer und das ist für viele Menschen ein erheblicher Stressfaktor. Deshalb müssen wir unbedingt Ausgleiche schaffen, in denen Menschen interaktiv und kommunikativ "zusammen Leben" und "zusammen Arbeiten" neu gestalten können. Die Trennung von Arbeiten und Leben empfand ich persönlich schon immer als "unnatürlich". Insofern ist das eine Chance für die nächsten Generationen "Leben + Arbeit" neu zu gestalten.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Walter!


Zur Person:

Günter Walter ist Vorstand der Liebich & Partner AG und verantwortlich für die HR und Personalberatung. Er arbeitet seit 2007 bei dem Beratungsunternehmen in Baden-Baden.
Walter hat langjährige Erfahrung als Führungskraft, Geschäftsführer und Vorstand in mittelständischen Unternehmen und im internationalen Konzernunternehmen.??

Mehr zu seiner Person erfahren Sie unter dem Beraterprofil Günter Walter.


Zur Liebich & Partner AG:

Die Unternehmensberatung Liebich & Partner ist seit mehr als 35 Jahren erfolgreich für Unternehmen und Organisationen tätig. In der selbst ernannten "&AG" haben Berater*innen zusammengefunden, die sich durch Fachkompetenz, langjährige Praxiserfahrung und Persönlichkeit auszeichnen.

Was das Team verbindet:

+ Man vertritt eigene Standpunkte, die nicht immer bequem, aber stets begründet sind.
+ Man denkt unabhängig, sowohl von Machtverhältnissen in Unternehmen als auch von einzelnen Denkschulen und Methoden.
+ Man versteht sich als Projektmanufaktur, für deren Arbeit nicht Lehrbuchschemata, sondern das konkrete Unternehmen und seine Situation maßgebend sind. Standardisierte Beratungsleistung ist dem Team zu wenig.

Seit mehr als 35 Jahren steht das "&" im Namen. Es prägt Identität, Denken und Handeln. Liebich & Partner verbindet ein Team aus Mitarbeiter*innen und praxiserfahrenen Berater*innen zu einer starken Gemeinschaft, mit Erfahrungen aus unterschiedlichsten Bereichen. Das erlaubt es dem Team, vielfältige Beratungsleistungen anzubieten, die bei Bedarf kundenindividuell und durchaus auf unkonventionelle Weise verknüpft werden.??

Mehr über die "&AG" finden Sie hier: www.liebich-partner.de.

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