Foto: Jigal Fichtner für econo

Zwei Freunde müsst ihr sein!

Jochen und Mathias Mieg führen Edwin Mieg. Die OHG kennt kaum einer. Wohl aber das Produkt: Tipp-Kick. Die Figuren mit dem roten Knopf auf dem Kopf sind Legende. Für die Cousins macht es das nicht leichter.

Die Legenden liegen hier zu Dutzenden, sauber verpackt in großen Kartons, die im Regal entlang der Wand stehen. Die Legenden sind Tipp-Kick-Figuren, bemalt in den Farben des brasilianischen Nationaltrikots des Jahres 1970 oder Deutschland 1954. Hier liegen aber auch Spieler in den aktuellen Vereinsfarben von Bayern München, Barcelona oder Mailand.

Die Legenden sind Mathias und Jochen Mieg gerade herzlich egal. Die beiden Geschäftsführer stehen inmitten weiterer Kartons mit "Digitaler Halbzeituhr" und "LED-Flutlichtanlage" vor einem Spieltisch: Mit hochgeschobenen Ärmeln versuchen sie den zwölfeckigen Ball durch geschicktes Anschneiden mit dem beweglichen Bein der Spielfigur exakt zu positionieren. Das klappt nicht auf Anhieb. Und weckt den Ehrgeiz der Miegs. Da muss der Firmen-Hund auf seine Fütterung warten.

Die Szene in der heimeligen Produktion der Edwin Mieg OHG in VS-Schwenningen sagt alles über das Duo. Tipp-Kick ist ihre Berufung, Fußball eine Leidenschaft, Tennis und Kochen reine Passion. Über Tipp-Kick muss man nicht viele Worte verlieren. Das Fußballspiel im Maßstab 1:100 mit dem charakteristischen Spieler mit dem roten Knopf auf dem Kopf, durch den man ein Bein bewegt, ist selbst eine Legende. Es gibt mit "Aus der Tiefe des Raumes" ein filmisches Denkmal, Prominente wie der Musiker Campino oder Uli Hoeneß spielen Tipp-Kick. Sogar eine Art Profi-Liga mit eigenem Verband gibt es und seit 1974 jährlich ausgetragenen Deutsche Meisterschaften. Und immer wieder erhalten Miegs Briefe von Fans: "Da sind rundgespielte Bälle drin!"

Mathias und Jochen Mieg hat dieser Kult nicht abheben lassen. Sie sind leger, im besten Sinne bodenständig. Auf ihren Visitenkarten steht nicht einmal ihre Funktion im Unternehmen. Warum auch? Die Firma hat mit ihnen elf Mitarbeiter, dazu 25 Heimarbeiter. Die eigentliche Produktion ist ausgelagert. Am Stammsitz sitzt mit Verpackung und Vertrieb das Herzstück. Hier muss in Hochzeiten jeder mit anpacken.

Für die Miegs kein Problem. "Tipp-Kick war bei uns von klein auf immer das Thema, morgens, mittags, abends", erzählt Jochen Mieg. Und natürlich haben beide in den Schulferien mit angepackt: "Die Mitarbeiter haben uns nicht geschont", grinst Cousin Mathias. Sogar bei der Bundeswehr auf der Stube haben sie Figuren bemalt. Geschadet habe das nicht. Abgeschreckt auch nicht.

Mathias Mieg: "Eigentlich haben wir uns nur in der Pubertät nicht für die Firma interessiert - da waren Mädchen und Mofas wichtiger." Für das Duo steht seit der Schulzeit fest: Sie werden als Enkel des Gründers Edwin Mieg die Firma übernehmen. Gemeinsam. Zwei Freunde müsst ihr sein!

Der abgewandelte Fußballer-Spruch half dem Duo gerade in den vergangenen Jahren. Denn Kult und Legende hin oder her. Tipp-Kick ist im 89. Jahr des Bestehens nur bedingt ein Selbstläufer. Jochen Mieg: "Die ungeraden Jahre erfüllen uns mit Sorge." Denn in diesen Jahren gibt es weder WM noch EM und die Verkaufszahlen sacken um bis zu 30 Prozent ab. Für ein Unternehmen mit 1,5 Millionen Euro Umsatz eine Herausforderung. "Wir müssen eben in guten Jahren so viel erwirtschaften, um die anderen ausgleichen zu können", so Mathias Mieg.

Neuerungen, um den Verkauf anzukurbeln? Das funktioniert mit Halbzeituhr und Flutlichtmasten sehr gut. Die Einführung einer weiblichen Tipp-Kick-Figur war indes ein Flop. Jochen Mieg: "Aber wir können als Familienunternehmen abwarten. Die Zeit kommt!" Andere Länder als Absatzmärkte? Sehr schwer. Denn die Spielkultur ist anders, die Kapitaldecke dünn.

Überhaupt die Spielkultur: Der Fachhandel, bislang eine Domäne des Tipp-Kick-Absatzes, schwächelt, das Internet boomt. Eine Herausforderung für die Miegs. Sie nehmen es sportlich, eine Tipp-Kick-App gibt es bereits. Der sportliche Ehrgeiz zahlt sich am Ende aus.

Auch am Spieltisch. Der Ball überfliegt elegant angeschnitten aus kurzer Entfernung den Torwart "Toni" – Tor! Siegerlächeln! Geballte Faust!

Diese Leidenschaft hat das Duo an die Söhne weitergereicht. Sie wollen die Firma übernehmen, ein Spieltisch ist beim Studium dabei. Natürlich.

Das Porträt erschien zuerst in der Print-Ausgabe März 2013 von econo.

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