Foto: Jigal Fichtner für econo

Leinen los

Karlheinz Hillenbrand ist Hafendirektor in Kehl und hat die Bäder- und Kurverwaltung des Landes saniert: zwei Vollzeit-Jobs zur gleichen Zeit. Jetzt geht er in den Ruhestand und hat keinen Plan

Die großflächigen Fenster im Büro von Karlheinz Hillenbrand sind weit geöffnet. Die frische Sommerluft mischt sich mit einer letzten Ahnung von Pfeifentabak. Vor dem Fenster arbeitet sich eine schwere Güterlok im Schritttempo mit einem Ganzzug Rungenwagen voran. Das Quietschen und Rumpeln, das monotone Blubbern des Dieselantriebs drängen ins Büro.

Hillenbrand sitzt entspannt in einem Stuhl am kleinen Besprechungstisch, den obersten Knopf am maritimblau-weiß gestreiften Hemd offen. Kurze Zeit nach diesem Tag wird er in Ruhestand gehen - "bevor noch jemand fragt: 'Ja, ist der immer noch da?'"

Hillenbrand führt seit Jahrzehnten gleich zwei Groß-Unternehmen: eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Genauer ist Hillenbrand Hafendirektor der Hafenverwaltung Kehl und Geschäftsführer der BKV - Bäder- und Kurverwaltung Baden-Württemberg. Beides Töchter des Landes, ganz so wie die Brauerei Rothaus. Doch anders als die kultähnlich verehrte Braustätte im Südschwarzwald arbeiten Hafen und BKV beinahe abseits der breiten Öffentlichkeit. Und beide überweisen im Gegensatz zu Rothaus keinen Cent an den Landeshaushalt: "Was wir erwirtschaften, können wir vollständig wieder investieren."

An diesem Status quo will kein Verantwortlicher rütteln, von kleineren Störfeuern des Rechnungshofes mal abgesehen. Immerhin stehen beide Gesellschaften bestens da, behaupten sich im Wirtschafts­leben - inzwischen jedenfalls.

Um das zu verstehen, muss man zurück Mitte der 1990er-Jahre gehen. Hillenbrand ist zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre Hafendirektor. Ein anspruchsvoller Job, damals wie heute. Wenn die Finger des 66-Jährigen über die Abdeckung des Hafen-Modells im Flur der Verwaltung zur Untermalung seiner Erklärungen flitzen, wird es rasch deutlich: drei Millionen Quadratmeter Fläche, 130 Unternehmen, darunter Bürstner und die Badischen Stahlwerke, 42 Kilometer Gleise, 16 Kilometer Straßen, 12 Kilometer Uferlänge, 3,8 Millionen Tonnen Güterumschlag, 3300 abgefertigte Schiffe pro Jahr. All das will bespielt sein. Hillenbrand drückt es in seiner betont pragmatisch-freundlichen Art so aus: "Ohne Mitarbeiter wäre man erledigt." Hafen­direktor ist ein Fulltime-Job.

Wie passt da noch die Führung der BKV in den Zeitplan? Hillenbrand schmunzelt, bevor er eine Antwort gibt. Wer die Historie kennt, der weiß: Es brauchte Mitte der 1990er-Jahre schlicht einen Feuerwehrmann, einen, der mit besonnenem Wesen, aber nachdrücklicher Art einen Mentalitätswechsel erreichen kann. Denn: Anfang der 1990er-Jahre war die alte BKV mit Sitz in Baden-Baden am Ende. Kurz gesagt hatte sich die Stadt mit Caracalla-Therme, Kurhaus, Spielbank und anderen Dingen verzettelt. Es folgte ein finanzielles Desaster in Millionenhöhe und eine Einigung mit dem Land: Die BKV wird zerschlagen, Kurhaus samt Umfeld und Therme werden Eigentum des Landes, eine neue BKV entsteht. Und Hillenbrand als Landesdiener wurde Chef.

Seine wichtigste Aufgabe neben der Neustrukturierung? "Den Leuten deutlich zu machen, dass eine Institution wie ein Kurhaus Geld kostet und deshalb auskömmlich wirtschaften muss", so Hillenbrand ruhig, sachlich, ohne jede Häme. Fünf Jahre sollte sein Einsatz dauern. Inzwischen sind es 21. Längst schreibt die BKV schwarze Zahlen, längst umfasst die BKV aber auch mehr als Baden-Baden. Im Verlauf der Jahre kamen ganz oder teilweise die Bäder in Bad Wildbad, Bad Mergentheim und Badenweiler hinzu. Hillenbrand: "Es lief halt nicht so schlecht in Baden-Baden, da konnte man Know-how-Transfer betreiben und Synergien heben."

Zusammen ist es ein ehrwürdiges Quartett, das jedes für sich besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Gut 100 Millionen Euro sind aus dem Cash-Flow in den Ausbau der Bäder geflossen, jedes für sich ist topfit. Weitere Investitionen in Millionenhöhe hat Hillenbrand noch auf den Weg gebracht, sei es in Badenweiler, sei es in Kehl. Die vergangenen Wochen waren arbeitsreich, mehr noch als in den Jahren zuvor: "Ich will nichts liegen lassen, sondern einen leeren Schreibtisch übergeben." Dass künftig jede Gesellschaft eine eigene Führung erhält, ist für ihn stimmig: "Der Überblick ist besser, zumal die Anforderungen stetig steigen."

Er selbst verlässt die Hafenverwaltung mit der dunklen Holzvertäfelung und den Terrazzo-Fliesen, die noch die Aufbaujahre des Hafens nach dem Zweiten Weltkrieg atmen, ohne Wehmut und vor allem ohne einen Plan für die Zeit danach: "Ich freue mich einfach nur über mehr Zeit." Ob er den Blick aus dem Bürofenster über die Hafenanlagen, das Quietschen der Güterzüge vermissen wird? "Darüber konnte ich noch gar nicht nachdenken." Man kann es so sagen: Hillenbrand macht einfach mal die Leinen los, der Rest wird sich ergeben.

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