Foto: Michael Bode für econo

Ein neues Bild von einem CEO

Hanns-Peter Knaebel führt den Medizintechniker Aesculap. Er pflegt seinen ganz eigenen Stil. Das hat mit den Brüchen in seinem Leben zu tun.

Das kleine Kästchen steht ein wenig abseits auf dem weitläufigen Schreibtisch von Hanns-Peter Knaebel. Dem flüchtigen Betrachter mag es zunächst nicht auffallen, Knaebel selbst hat es von seiner Sitzposition aus stets im Blick. Unter dem durchsichtigen Deckel verbirgt sich eine kleine Szenerie: Ein OP-Saal mit allem, was dazugehört. Aufgebaut aus Playmobil-Figuren. „Ein Geschenk meiner Frau und der Kinder.“ Knaebel lächelt fein.

Das Kästchen steht für das alte Leben des 42-Jährigen.

Heute ist Knaebel der Vorstandsvorsitzende von Aesculap in Tuttlingen. Seit zwei Jahren hat er das Amt inne. Er ist Chef von weltweit 9500 Mitarbeitern, 3000 davon am Stammsitz. Er verantwortet einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro in 2010, ein Rekordwert. Aesculap gehört zur B. Braun Melsungen und zählt weltweit zu den Mächtigen der Branche. Die chirurgischen Instrumente, Implantate oder auch das Nahtmaterial gelten als Rolls-Royce der Branche.

Betrachtet man die nackten Fakten, dann taugt Knaebel nicht als CEO. Dabei passt er perfekt.

Hanns-Peter Knaebel ist nicht der typische Karrierist, er ist kein Zahlenfanatiker. Das macht ihn sympathisch. Man mag es Zufall nennen, dass Knaebel auf den Posten kam. „Aber genau das hat mich gereizt, dieser Bruch.“

Dieser Bruch ist sein Abschied aus dem OP-Saal. Zwölf Jahre war er an der Uni Heidelberg als Chirurg und in leitender Funktion. Der Aufstieg zum Chefarzt war nur noch eine Frage der Zeit. Dann kommt der Ruf zu Aesculap. 2007 zunächst als Marketing-Vorstand, dann als CEO. Er lernt schnell.

„Der Wechsel geschah nicht aus Frust. Das Spannungsfeld der medizinischen Hilfe und der Gesundheitspolitik hat mich schon immer interessiert“, stellt Knaebel klar. Jetzt besetzt er eine der entscheidenden Schnittstellen dieses Spannungsfeldes. Locker sitzt Knaebel am Besprechungstisch seines Arbeitszimmers, zurückgelehnt im Stuhl, das Sakko im Schrank. Er ist wortgewandt, switcht im Satz zwischen deutsch und englisch. Dazu ist er ein Freund des Wortwitzes, dann blitzen seine Augen.

Man kann ihn neudeutsch smart nennen oder Mann von Welt. 

Man sieht in ihm aber nicht das typische Abbild eines Vorstandsvorsitzenden. Dazu ist Knaebel zu fein. Wenn er Mitarbeiter auf Fehler hinweist, dann geschieht das kollegial, aber bestimmt. Wenn ihm in der Pressekonferenz Beiträge seiner Vorstandskollegen zu ausschweifend sind, dann faltet er vor sich die Hände auf dem Tisch. Und dreht langsam die Daumen umeinander. Sein Blick schweift zur Decke. Viele seiner Bewegungen erinnern an den Late-Night-Moderator Harald Schmidt.

Den Kollegen ins Wort fallen würde er nie.

Knaebel steht für ein neues, ein modernes Bild eines CEO. Er ist ein Teamplayer, ein Primus inter pares, der sich seiner Stellung sehr, sehr bewusst ist. Imponiergehabe braucht er nicht, seine Ausstrahlung genügt. Und die physische Präsenz eines Zwei-Meter-Mannes tut ein Übriges.

Teamfähigkeit und Selbstbewusstsein, beides zeugt von einem weiteren Bruch: Knaebel war in seiner Jugend Leistungssportler. Er hatte eine Tenniskarriere vor sich. „Nach einem Doppel gegen Boris Becker wurden mir aber meine Grenzen bewusst.“ Die Medizin wird sein neues Spielfeld.

Ob es einen weiteren Bruch in seinem Leben geben wird?

„Ein CEO sollte sich nie zu sicher fühlen.“ Knaebel sagt das ohne Pathos. „Ich habe keinen Plan, was ich in 20 Jahren mache. Sollte ich noch bei Aesculap sein, würde es mich freuen. Ansonsten habe ich genügend andere Ideen.“ Diese Erdung hat viel mit seiner Familie zu tun, vier Kinder hat er, seine Frau arbeitet als Ärztin. Die Wochenenden verbringen alle zusammen. Unter der Woche sitzt Knaebel ab 5.30 Uhr am Schreibtisch, den Blick auf sein altes Leben ­unter Glas.

Der gebürtige Stuttgarter Hanns-Peter Knaebel, Jahrgang 1968, wächst in Esslingen am Neckar auf. In seiner Familie sind seit Generation Unternehmer. „Deshalb fanden meine Eltern die Vorstellung, dass ihr Sohn Medizin studiert, nicht populär“, erinnert sich Knaebel. Doch ihn hat der Virus im Rahmen eines Schüleraustauschs in die USA infiziert. Dort unterhielt er sich mit einem Herzchirurgen: „Er lud mich in seine Klinik ein.“

Nach einer Woche Hospitanz stand sein Entschluss fest: Chirurg wollte er werden. „Lern doch etwas Anständiges!“ Augenzwinkernd erzählt Knaebel von der Reaktion seiner Mutter. Doch der Sohn bleibt dabei, studiert in Ulm, Tübingen und Yale Medizin. 1995 nimmt er seine chirurgische Tätigkeit an der Uniklinik Heidelberg auf. Zwölf Jahre arbeitet er dort, davon fünf als Oberarzt. Er baut unter anderem das Klinische Studienzentrum Chirurgie mit auf. Über klinische Studien kommt dann auch der Kontakt zu Aesculap zustande. Ach ja: Dem Wunsch seiner Eltern hat Knaebel doch noch entsprochen. Er absolvierte berufsbegleitend ein Management-Studium. 

Das Porträt erschien zuerst in der Ausgabe Mai 2011 von Econo.

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