Standpunkt

Keep calm an carry on


Der Brexit wird kommen – was bedeutet das für alle, die mit den Briten Geschäfte machen? Das beantworten Barbara Mayer und Gerhard Manz.

Das Vereinigte Königreich hat sich entschieden - gegen einen Verbleib in der EU. Einige Protagonisten haben sich inzwischen von der politischen Bühne verabschiedet - im Fall von Boris Johnson allerdings nur kurzfristig. David Cameron gab sein Amt ab. Die Labour Party ist mit internen Streitigkeiten beschäftigt. Die Jugend Großbritanniens zog auf die Straße, weil sie um ihre Zukunft fürchtet. Das Pfund brach ein. Die Immobilienpreise gingen in Frankfurt nach oben und in London nach unten. Investoren aus aller Welt kündigten Zurückhaltung an. Schottland droht mit einem neuen Referendum über die Abspaltung. Und alle schauen jetzt auf Theresa May, die neue Premierministerin. Sie war bislang eine Gegnerin des Brexit und soll diesen nun umsetzen.

Bis Klarheit herrscht, werden Jahre vergehen. Denn das Votum ist nur ein erster Schritt. Der nächste besteht darin, dass das Vereinigte Königreich dem Rat der EU seine Austrittsabsicht mitteilt und so die Grundlage für Verhandlungen schafft.

Rechtlich umstritten ist, ob die britische Regierung den Antrag stellen darf, ohne zuvor das Parlament einzubeziehen. Namhafte britische Verfassungsrechtler sind der Auffassung, dass der Antrag nicht ohne zustimmenden Beschluss des Unterhauses gestellt werden darf. Und die Parlamentarier sind - bislang jedenfalls - mehrheitlich gegen den Brexit. Sollte die Regierung das Parlament übergehen, muss sie mit einer Verfassungsklage rechnen.

Rechtliche Unklarheit droht auch, weil Briten, die schon längere Zeit außerhalb des Landes leben, bei der Abstimmung nicht wahlberechtigt waren.

Sobald der Austritt erklärt ist, schließt sich eine Verhandlungsphase zwischen Großbritannien und der EU an. Wird innerhalb von zwei Jahren kein Ergebnis erzielt, scheidet Großbritannien automatisch aus der EU aus - wobei die Frist einvernehmlich verlängert werden kann. Die Verhandlungen bedeuten eine Herkulesaufgabe. Denn der Binnenmarkt der EU hat in den mehr als 40 Jahren seit dem Beitritt Großbritanniens zu einer intensiven Verzahnung der Rechtsordnungen geführt.

Nahezu alle Rechtsgebiete sind davon betroffen - vom Arbeitsrecht über Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Marken- und Patentrecht bis hin zur Tabakwerbung. Zwei Drittel der gesetzlichen Neuregelungen, die in Deutschland jedes Jahr auf uns zukommen, haben ihre Wurzel in Brüssel. In Großbritannien dürfte das Verhältnis ähnlich sein.

Und nun? "Keep calm and carry on", lautet ein Motto der Briten. Aber ein paar Vorkehrungen sollte man schon treffen, wenn man in Großbritannien Geschäfte macht: Verträge müssen so gestaltet werden, dass sie auch post-Brexit funktionieren. Für Rechtsstreitigkeiten mit britischen Partnern empfiehlt sich, künftig Schiedsvereinbarungen zu treffen. Denn Schiedsurteile bleiben auch dann noch ohne Weiteres vollstreckbar, wenn Großbritannien aus der EU ausscheidet - im Gegensatz zu den Urteilen staatlicher Gerichte. Die Geltung englischen Rechts war schon bisher nicht unbedingt erstrebenswert; künftig sollte man es ganz meiden. Denn noch ist nicht vorhersehbar, in welche Richtung sich die Rechtsordnung entwickelt.

Jetzt schon aktiv werden sollte, wer sein Unternehmen in Deutschland in Form einer englischen Limited betreibt. Mit dem Austritt Großbritannien aus der EU entfällt nämlich die Anerkennung britischer Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben. Dann droht die persönliche Haftung der Limited-Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Doch das lässt sich vermeiden.

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