Standpunkt

Beim Kunden einen Wow-Effekt auslösen


Zu langsam, zu wenig am Markt orientiert, zu sehr in die eigene Lösung verliebt: Innovationslotse Dr. Christoph Dill bringt auf den Punkt, warum so viele Projekte scheitern. Und er erläutert, wie man im Garten lernt, was man besser machen kann

Zu langsam, zu wenig am Markt orientiert, zu sehr in die eigene Lösung verliebt: Bei vielen Innovationsprojekten ist das Scheitern vorprogrammiert. Weil das Produkt beim Kunden den Bedarf nicht trifft. Beispiele gibt es zuhauf. Aber was sollten Innovationsteams beachten und wie sollten sie vorgehen, damit neue Produkte beim Kunden einen Wow-Effekt auslösen? Ich bin fest davon überzeugt: Alles was Unternehmen tun, wenn sie Produkte und Dienstleistungen entwickeln, beginnt und endet am Markt. Darauf fokussieren sich alle Gedanken und alle Aktivitäten

"Natürlich zielen wir auf einen Markt", höre ich in Unternehmen regelmäßig die entrüstete Antwort. Bei genauerem Nachfragen stellt sich dann heraus, dass oftmals die Märkte und die dort herrschenden Gesetze nicht wirklich genau betrachtet werden. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist das Verhalten der Kunden, das schon immer Veränderungen ausgesetzt war, sich aber heute und in Zukunft stärker als bisher verschieben wird. Man ist gut beraten, diese Verschiebungen im Blick zu haben. Ein konkretes Beispiel.

Ein Gang in den Garten

In der Vergangenheit bestand ein wichtiger Wert eines Gartens darin, dass man dort arbeiten konnte. Heute ist der Trend eher, den Garten zum passiven Entspannen, zum Genießen oder eben zum "Chillen" zu nutzen. Unternehmen, die Produkte für Gärten herstellen, sollten sich intensiv mit der Frage befassen, was dieser Trend für sie bedeutet. Die Mehrzahl der traditionellen Unternehmen wird sein Geld vermutlich mit Werkzeugen verdienen, die im Arbeitsgarten zum Einsatz kommen.

Die Veränderung zum Ruhegarten bringt jedoch eine Verschiebung der Kundenbedürfnisse mit sich. Überspitzt gesagt: Man pflegt die Ruhe und lässt arbeiten. Besonders trendige Trendforscher sprechen hier vermutlich von "Smart Gardening". Gewässert wird nicht mehr mit der Gießkanne aus Blech, sondern mit einer Sprinkleranlage, die per App gesteuert werden kann - oder die über einen Trockenheits-Sensor in Gang gesetzt wird. Manche Dinge werden wir im smarten Garten vermissen, andere nicht. Das samstägliche Geheul der Rasenmäher-Motoren wird durch das alltägliche sanfte Surren eines Mähroboters ersetzt – für Langschläfer eine wunderbare Nachricht.

Wer sich als Marke für robustes und praktisches Gartengerät positioniert hat, sollte die Hypothesen, die zu dieser Positionierung geführt haben, zumindest überdenken. Diese Markenbetrachtung ist strategischer Natur und betrifft das ganze Unternehmen.

Auf einer anderen Ebene wird sich ein Hersteller von Gartenbedarf immer fragen, wie im Umfeld des Smart Gardening beispielsweise Unkraut gejätet wird. Diese Überlegung kann auf der Marktseite beispielsweise dazu führen, dass ein Gärtner beauftragt wird, sofern man sich das leisten kann. Reicht die Kaufkraft im Markt dafür nicht aus, könnte die Lösung ein Roboter sein, der das Unkraut entfernt. Spätestens an dieser Stelle wird der Trend auf ein einzelnes Produkt heruntergebrochen, das auf konkrete Bedürfnisse der Kunden abzielt.

Die Frage lautet: Was braucht der Kunde

Fazit: Es ist wichtig, zu verstehen, was der Kunde braucht – und nicht nur, was er will. Auf diese Weise kommen Teams eventuell zu Lösungen, an die der "normale" Kunde gar nicht denkt. Wenn Unternehmen nämlich die Kundenbedürfnisse aus einem neuen Blickwinkel betrachten und sich kreativ fragen, wie diese Bedürfnisse erfüllt werden können, ist die Chance deutlich größer, dass innovative, herausragende Lösungen entstehen. Und nur wenn es gelingt, exzellente Produkte zu entwickeln, die hohe Margen abwerfen, werden deutsche produzierende Unternehmen auch künftig auf den Weltmärkten erfolgreich sein.

Der Autor
Dr. Christoph Dill ist seit 2018 Vorstand bei der Liebich & Partner Management- und Personalberatung AG, seit 2015 Geschäftsführender Partner. Er begleitet als Innovations- und Strategielotse Menschen und Organisationen in Innovations- und Veränderungsprozessen.

Dr. Christoph Dill ist Autor des E-Books "Vom Markt zum Markt reloaded" und Mit-Autor der ebenfalls bei LOG_X erschienenen Fachbücher "Vom Markt zum Markt – Produktentstehung als zyklischer Prozess" sowie "Spitzenleistung möglich machen – Die zehn Felder des Unternehmenserfolgs".

Foto: Liebich&Partner

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