Standpunkt

Autozulieferer in der Krise – Preis als letzte Waffe


Gewinnwarnungen, Stellenstreichungen, Werksschließungen: Die Flaute der Autoindustrie bringt Zulieferer ins Schleudern. Was jetzt die drei wichtigsten Maßnahmen für Zulieferer sind, erklären Hermann Simon und Andreas Hudelmaier von der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners

Kurzarbeit bei Schaeffler, Stellenabbau bei Bosch, Gewinnwarnung und drohende Werksschließungen bei Continental: Der Produktionsrückgang der Automobilindustrie von fünf Prozent im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr trifft auch die Zulieferer mit voller Wirkung.

Typische Strategien in einer solchen Lage sind Kosten reduzieren und Absatzvolumen steigern - das wird aber nicht ausreichen, um zahllose Zulieferer vor Schlimmerem zu bewahren. Denn einerseits sind aufgrund der unnachgiebigen Einkaufspolitik der Autohersteller die Kosten häufig bereits extrem niedrig.

Andererseits handelt es sich in der Zulieferindustrie um "abgeleitete Nachfrage". Pro Auto werden genau zwei Außenspiegel gebraucht, nicht mehr und nicht weniger. Die Nachfrage nach Außenspiegeln ergibt sich also im Wesentlichen aus der Zahl der Autobestellungen. Geht diese Zahl zurück, kann sich der Spiegelhersteller kurzfristig kaum wehren. Er könnte zwar versuchen, neue Kunden zu gewinnen beziehungsweise seinen Lieferanteil zu erhöhen. Aber kurzfristig dürften diese Maßnahmen nicht durchschlagen. Die Beeinflussbarkeit des Absatzes ist also extrem beschränkt.

Preisgestaltung wichtigster Hebel gegen die Krise

Damit hat jetzt die in der Industrie am meisten vernachlässigte Variable der Gewinnfunktion die größte Chance, über das Wohl vieler Zulieferer zu entscheiden: das Pricing. Drei Sofortmaßnahmen sind notwendig:

1. Profitabilität im Bestandsgeschäft sichern
Zu viele Zulieferer glauben, dass alle Verhandlungsmacht beim Automobilhersteller liegt. So haben 96 Prozent der befragten Zulieferer in der Global Pricing Study 2017 von Simon-Kucher angegeben, dass sich der Preisdruck in den vergangenen beiden Jahren erhöht hat, der zweithöchste Wert aller 35 befragten Industrien. Automobilhersteller schaffen es also mit großem Erfolg, jährliche Preissenkungen durchzusetzen, die über die Vertragsvereinbarungen hinausgehen.

In vielen Fällen können diesen Forderungen aber reduziert oder gänzlich abgewendet werden, wenn die richtigen Argumente gefunden und erfolgreich angewandt werden.Hinzu kommt: Nach der Nominierung eines Lieferanten gibt es bei Zulieferprojekten in der Regel noch zahlreiche Änderungen durch den Automobilhersteller, die Lieferanten systematisch nutzen können, um die Profitabilität im Bestandsgeschäft deutlich zu erhöhen.

2. Zukünftige Profitabilität durch die richtigen Innovationen sichern
Aus Produktsicht erfindet sich die Autoindustrie gerade neu; damit sind Innovationen an der Tagesordnung und ein wichtiger Hebel für nachhaltigen Erfolg. Leider ist die Erfolgsbilanz von Zulieferern in dieser Hinsicht eher schlecht. Befragte Zulieferer gaben an, dass 75 Prozent der Innovationen ihre Gewinnziele in der Vergangenheit nicht erreicht haben.

Ein Hauptproblem besteht darin, dass (End-)Kundenbedürfnisse nicht gut genug verstanden werden. Als logische Konsequenz passen dann Kostenstruktur und Zahlungsbereitschaft nicht zusammen. Für erfolgreiche Innovationen muss der Kundennutzen während der Entwicklung klar quantifiziert werden und sowohl Produkt- als auch Preisgestaltung maßgeblich prägen.

3. Verhandlungsführung stärken
Es reicht natürlich nicht, die richtigen Preise zu setzen, sie müssen auch durchgesetzt werden. Zulieferer tun daher gut daran, in Krisenzeiten weiter in ihren Vertrieb zu investieren. Verhandlungsschulungen sind ein wichtiges Mittel, aber auch Prozesse und Tools müssen optimiert werden. Kluge Anreizsysteme, die den Vertrieb am Erfolg der Preisverhandlungen beteiligen, sind das letzte Puzzlestück für einen erfolgreichen Zulieferervertrieb.

In Kombination mit den anderen Maßnahmen kann so die Profitabilität von Zulieferunternehmen gesichert und krisenfest gemacht werden - nicht nur durch Kostensenkungen, sondern auch durch intelligente Preismaßnahmen.

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