WVIB will mehr Politik wagen

Unter neuer Führung will der Wirtschaftsverband WVIB sein Profil schärfen / Unternehmen melden Umsatzplus

 
Foto: oh
 

Freiburg. Zwei Mal jährlich bittet der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden (WVIB) seine rund 1000 Mitglieder um eine Wasserstandsmeldung. Gestern wurde der aktuelle Konjunkturbericht in Freiburg vorgestellt. Er zeigt, dass die Schwarzwald AG wenn überhaupt nur Luxus-Probleme hat. Die WVIB-Führung versucht das Momentum zu nutzen, um mehr Politik zu wagen.

Die Schwarzwald AG scheint immun gegen Umwelteinflüsse

Die Zahlen sind spektakulär gut. Die Umfrage – an der sich etwa jedes dritte Unternehmen beteiligt hat – zeigt ein Umsatzplus von neun Prozent. Vier von fünf Firmen melden bessere Geschäfte als im Vorjahr. 87 Prozent der Unternehmen sind voll ausgelastet – oder gar überlastet. Und weder die zögerliche Regierungsbildung in Deutschland, noch der Brexit oder US-Präsident Trump trüben die Stimmung. „Bisher konnte die Politik uns nichts anhaben“, sagt WVIB-Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer. Satte 96 Prozent der befragten WVIB-Mitglieder sind mit der Ertragslage zufrieden und bewerten sie mit gut oder befriedigend. Einzige zarte Sorge ist der Fachkräftemangel. Münzer: „Jetzt muss man schon nach Rumänien gehen, wenn man einen Schweißer braucht.“

Seit kurzem hat der WVIB einen neuen Präsidenten. Thomas Burger ist im November die Nachfolge von Klaus Endress angetreten. Während Endress als eloquenter Antroposoph auftrat, wählt der Feintechnik-Unternehmer aus Schonach eine nüchternere, aber auch forschere Ansprache. Burger präsentiert in seiner „Regierungserklärung“, wie Münzer sie ankündigt, acht Thesen für die Wirtschaft im Südwesten. Mit zum Teil provokanten und überraschenden Inhalten.

„Das Thema haben wir alle verpennt“

So sagt ausgerechnet der neue Verbands-Präsident der Schwarzwald AG, dass die mittelständische Industrie politisch nicht gut vertreten werde. Als Beispiel nennt er das Entsendegesetz. Der Umgang vor allem der französischen Nachbarn mit dem Gesetz stößt vielen aus der Region übel auf. „55 Jahre nach dem Elysée-Vertrag steht Europa beim Thema offene Grenzen wieder ganz am Anfang“, so Burger. Bereits Klaus Endress hatte den französischen Weg offen als Rückkehr in den Protektionismus gebrandmarkt. Burger und Münzer verschärfen nun den Ton.

Das Thema Entsendegesetz „haben wir alle verpennt“, räumt Münzer ein und kündigt an, dass nun Schluss damit sei. Der WVIB will aktivere Netzwerke knüpfen und so seinen Mitgliedern eine gemeinsame Stimme geben. Und während offizielle Verbände oder auch Kammern sich politisch zurückhalten müssen, will der WVIB offenbar seine Freiheiten nutzen. Eine erste politische Kampagne gab es im vergangenen Jahr vor der Bundestagswahl. Bald soll es Nachschlag geben. Münzer kündigt ein großes Thema pro Jahr an. Die Herausforderung dabei: Politische Richtungen und Stimmungen zu umschiffen und doch eine klare Aussage im Sinne der Mitglieder zu formulieren. „Wir sind die Industriepartei im Schwarzwald“, sagt Christoph Münzer.

Burger räumt ein: Die konsequente Umsetzung des Entsendegesetzes durch die Franzosen habe alle überrascht – auch die Industrie in der Region. Darum müssten deren Vertreter in Zukunft professioneller zusammenarbeiten. Nur so könne man Rückschritte verhindern und künftig überhaupt etwas erreichen.

Flankiert wird dieser neue Ton von einer weiteren Personalie. Silke von Freyberg, fast zwei Jahrzehnte lang die Kommunikationsleiterin beim Verband, hat den WVIB im Herbst 2017 auf eigenen Wunsch verlassen. Ihre Nachfolgerin ist die Offenburger Journalistin Doris Geiger. Während von Freyberg von vielen vor allem als versierte Informations-Maklerin wahrgenommen wurde, die Firmen untereinander oder mit Vertretern der Öffentlichkeit verknüpfte, soll Geiger mehr Botschaften transportieren. 

Teilen auf

Das könnte Sie auch interessieren