Vollkasko für Anleger

Schone die Zocker und bestrafe die Guten! So kann der Verbraucherschutz nicht klappen. Econo-Herausgeber Klaus Kresse versteht die Wut bei Sparkassen und Volksbanken

 
 

So ist die Börse: Du kannst tausend Prozent gewinnen – aber nur hundert Prozent verlieren. Verlockend. Oder?

Sagen wir mal so: Nicht die Chance ist das Problem, sondern das Risiko. Das sollte eigentlich jedem einleuchten. Tut es aber nicht. Weshalb die Gier manchmal so groß ist, dass – obwohl ein Verlust von hundert Prozent verdammt weh tun kann – nur die Chance gesehen wird. Und so kommt es, dass wir im Zusammenspiel von Banken und ihren Kunden gegenwärtig Zeuge eines unglaublichen Vorgangs werden.

Wir erleben einen Kraftakt, der von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Mit Vollkasko-­Mechanismen soll es möglich ­werden, den Zusammenhang von Chance und Risiko aufzulösen. Die Quadratur des Kreises ist eine Fingerübung dagegen.

Konkret: Unsere Politiker im Allgemeinen und Oberverbraucherschützerin Ilse Aigner im ­Besonderen haben sich ein verwegenes Regelwerk ausgedacht. Es soll die Banker dazu zwingen, jede erdenkliche Sicherheitsstrebe einzuziehen, alle Beratungsgespräche ausgiebigst zu protokollieren und dem Geldanleger die Finanzprodukte nur noch mit fettem Beipackzettel auszuliefern. Inzwischen ist die Bankenaufsicht Bafin gar schon mit Spitzeln unterwegs. Verdeckte Ermittler werden in die Rolle des Bankkunden schlüpfen und – wie die „Financial Times Deutschland“ vermeldet – als „Spitzel die Banken testen“. Ein Fall für die versteckte Kamera.
Wen kann es da noch wundern, wenn sich in Bankerkreisen der Widerstand regt. Ganz besonders jetzt, da die Geldinstitute ihre ­Bilanzen präsentieren und ohnehin zu Pressekonferenzen laden.

Vor allem die Genossenschafts-Banker haben hochstehende Zähne. Sie finden die Vollkasko-Übung nicht nur unangemessen. Sie beklagen zudem, dass die Politik keine Unterschiede macht. Egal, ob Zocker-Bank oder seriöses  Geldinstitut – alle werden in einen Topf geworfen. Richard Bruder, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Offenburg: „Selbst in der Finanzkrise musste nicht eine einzige Volks- oder Raiffeisenbank staatlichen Schutz in Anspruch nehmen.“ Zudem sei, wie es in einem gemeinsamen Papier von Sparkassenverband Baden-Württemberg und Baden-Württembergischem Genossenschaftsverband heißt, die „Regelungswut“ allein deshalb nicht nachzuvollziehen, weil im Anlagegeschäft „die Beschwerdequote … bei den Sparkassen und Volksbanken … nur bei rund 0,00001 Prozent liegt“.

Tatsächlich liegen die Probleme woanders. Sie lassen sich auch nicht aus der Welt schaffen, wenn jedem Anleger bei Kauf eines Zertifikats bis zu 400 Seiten Info-Material übergestülpt werden.

Problem Nr. 1: Staatliche Hilfe für Krisenbanken mag grundsätzlich sinnvoll sein („Too big to fail“), aber schadet in der Praxis den gesunden Instituten. 50 Euro Begrüßungsgeld für jeden Neukunden etwa kann die Commerzbank nur bezahlen, weil sie am Tropf des Steuerzahlers hängt.

Problem Nr. 2: Der Fall Lehman Brothers und die Finanzkrise haben gezeigt, dass kein mathematisches Modell die Folgen des Mehrfach-Verschachtelns von Risiken sauber abbilden kann.

Problem Nr. 3: Deshalb droht der nächste Crash, solange Geschäfts- und Investmentbanken nicht sauber getrennt und Hedgefonds ebenso wie zwielichtige Zweckgesellschaften nicht verboten werden.

Problem Nr. 4: Der größte Teil der Finanzprodukte ist von der Realwirtschaft komplett entkoppelt. Im großen Casino wird weiter mit heißer Luft gezockt.

Problem Nr. 5: An großen Finanzplätzen wie London besteht kein Interesse, daran etwas zu ändern – denn dort gibt es kaum noch eine Realwirtschaft.

Problem Nr. 6: Was heute noch als grundsolide gilt, kann sich morgen als Luftnummer erweisen (Landesbank Sachsen, IKB).

Und das größte Problem: Wo der gesunde Menschenverstand fehlt, hilft auch kein Gesetz.

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