Südwest-Konjunktur leidet unter der Industrie

Die aktuelle Umfrage entlang des Oberrheins gebiert ein Sorgenkind

 
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Freiburg. Die Industrie ist weiter das Sorgenkind der regionalen Wirtschaft. Weil vielen fertigenden Unternehmen Aufträge wegbrechen, verliert die Konjunktur in Süd- und Mittelbaden weiter an Fahrt. Dieses Fazit zieht die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südlicher Oberrhein unter ihre aktuelle Stimmungsumfrage, die gestern in Freiburg vorgestellt wurde. Der Index liegt demnach bei 127 Punkten – zwei weniger als zum Jahresbeginn.

Während Handel, Dienstleister und vor allem die Bauwirtschaft weiter starke Werte liefern und zum Teil deutlich zugelegt haben, schätzt die Industrie ihre Situation immer verhaltener ein. Unterm Strich ist die Lage zwar immer noch positiv, doch es geht steil bergab. Gegenüber der vorigen Umfrage verliert dieser Wert in der Industrie 19 Punkte. Nur jedes dritte Unternehmen spricht noch von einer guten oder sehr guten Situation. Bei den Zukunftsaussichten ist der Wert noch schlechter. Lage und Prognose bilden zusammen den Klimaindex der Wirtschaft.

Man habe nie gedacht, dass es ewig aufwärts gehen würde, sagt IHK-Präsident Steffen Auer. Doch auch der Lahrer Unternehmer räumt ein, dass die Industrie das Sorgenkind der Konjunktur ist – nicht nur in der Region. Entlang des Oberrheins sei es sogar so, dass man gute Werte aufzeige, weil die Abhängigkeit von der Industrie nicht so eklatant sei. In stärker industrialisierten Gegenden sei der Wert noch deutlicher gefallen, bestätigt Norbert Uphues von der IHK. Darum liegt die Kammer mit ihren Werten erstmals seit fast drei Jahren wieder über dem Landesschnitt.

Eitel Sonnenschein sei es deswegen aber nicht. Auer mahnt vor allem, dass die Politik zurzeit zu sehr mit sich selbst beschäftigt sei und deshalb viele wichtige Wirtschaftsthemen liegenlasse. Infrastruktur – vor allem schnelles Internet –, Investitionen in Bildung, ein wirtschaftsfreundlicheres Zuwanderungsgesetz – die Mängelliste sei lang, so der Stahlgroßhändler aus Lahr.

Aus dem Handwerk kam in dieser Woche der Vorschlag, eine Ablöse für fertige Azubis einzuführen. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, hatte diese Idee in den Raum gestellt. Hintergrund sei, dass viele Handwerksbetriebe ihre fertig ausgebildeten Fachkräfte an die Industrie verlieren. Dafür wünscht der ZDH-Präsident sich eine Ausgleichszahlung. Auer und sein kommissarischer Hauptgeschäftsführer Alwin Wagner halten wenig von dieser Idee. „Das ist nicht umsetzbar“, sagt Wagner. „Was passiert denn, wenn der Mitarbeiter nach drei Monaten zurück ins Handwerk wechselt? Oder was ist mit Leuten, die an der Uni ausgebildet werden – zahlt die Industrie dann Ablöse an den Staat?“

Auer und Wagner plädieren vielmehr dafür, dass Betriebe die Arbeitsbedingungen für Azubis verbessern. Auch über die Bezahlung könne man reden – wenn die Auftragslage stimmt. Auer nennt als Beispiel das Baugewerbe: „Die Unternehmen sind voll ausgelastet“, so Auer. Das müsse dann auch bei den Löhnen ankommen. Auer selbst ist nicht nur im Stahlhandel tätig. Seine Firma beschäftigt auch Mitarbeiter, die Türen montieren. „Dort steigen die Löhne schneller als im Büro.“

Mindestlohn für Azubis sei bei den IHK-Unternehmen „kein Thema“, so Auer, weil ohnehin gut gezahlt würde. Auer berichtet aus seinem Unternehmen, dass mittlerweile schon während der Ausbildung nachverhandelt würde. Auch hier hatte das Handwerk sich gegen eine verbindliche Regelung ausgesprochen.

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