Steinbrück for Kanzler?

Die Grünen haben Konjunktur. Das setzt nicht nur die Union unter Druck. Viel mehr Sorgen müssen wir uns um die SPD machen, befürchtet econo-Herausgeber Klaus Kresse

 
 

Zugegeben, bis zu den Bundestagswahlen ist es noch eine Weile hin. Aber nach dem politischen Bergrutsch in Baden-Württemberg sollten wir uns schon mal auf weitere Veränderungen einstellen.

Wenn bis Oktober 2013 – dann wird der 18. Deutsche Bundestag gewählt – kein Wunder passiert, dürfte sich Schwarz-Gelb erledigt haben. Angela Merkel führt nicht wirklich. Sie brilliert auch nicht mit begeisternden Visionen. Und das CDU-Personal aus der zweiten Reihe lässt ebenfalls wenig Hoffnung keimen. Ganz zu schweigen vom irrlichternden CSU-Chef Horst Seehofer, von dem man nie so recht weiß, wo und wofür er eigentlich steht.

Die Liberalen werden diese Koalition nicht retten – sofern sie überhaupt noch in den Bundestag kommen. Das kann man bedauern. Muss man vielleicht sogar. Nur: Die aktuelle Freidemokraten-­Truppe hat mit großen Namen wie Theodor Heuss, Karl-Hermann Flach oder Ralf Dahrendorf nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Blicken wir also auf die andere Seite des politischen Spektrums.

Was wir dort sehen, kann auch nicht sehr ermutigen. Zumindest dann nicht, wenn wir das Wohl des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Auge haben.

Deklinieren wir die denkbaren Konstellationen doch kurz durch.

Nachdem die Grünen auf der Anti-Atom-Welle ganz nach oben gespült werden, ist Grün-Rot auch im Bund nicht minder wahrscheinlich als Rot-Grün. Die Zusatzfarbe Dunkelrot wollen wir an dieser Stelle außer Betracht lassen.

Grün-Rot im Bund – eine Traumkonstellation? Keinesfalls.

Einen wie Winfried Kretschmann können die Bundes-Grünen nicht bieten. Und einen Kanzler Jürgen Trittin oder Cem Özdemir mag ich mir ebenso wenig vorstellen wie eine Kanzlerin Claudia Roth. Trittin ist ein überheblicher Zyniker. Özdemir wurde von seiner Partei schon kräftig gezaust. Und die Nervensäge Roth ist nur dann erträglich, wenn sie auf dem Nockherberg gedoubelt wird.

Also besser Rot-Grün?

Sagen wir mal so: Auch ein Sigmar Gabriel als Kanzler würde die Republik nicht wirklich schmücken. Dafür ist der Mann zu beliebig, zu populistisch. Und gut reden kann Hape Kerkeling auch.

Einer in der SPD freilich könnte es (obwohl er solche Gedankenspiele heftig zurückweist): Peer Steinbrück. Er hätte das Format, das Fachwissen und die Ernsthaftigkeit, die wir von einem Kanzler erwarten. Sein Problem wären ­also weniger die Wähler. Sein Problem ist seine Partei.

Um die müssen wir uns ernsthaft Sorgen machen. Dass die SPD ihre Vorsitzenden wechselt wie normale Menschen das Unterhemd – geschenkt. Dass die SPD mit der Agenda 2010 für Deutschland einen Riesenerfolg gelandet hat, selbst damit aber überhaupt nicht klarkommt, wiegt schon schwerer. Und dass sich die SPD am liebsten um die Benachteiligten dieser Gesellschaft kümmert, dabei aber ausgerechnet jene ausblendet, die den Wohlfahrtsstaat finanziell tragen sollen, ist wohl der Tradition geschuldet.

Apropos Tradition. Das klassische Arbeitermilieu gibt es so nicht mehr. Die unbelehrbaren Hardcore-Umverteiler sind bei der Linken besser aufgehoben. Und die arrivierte Angestellten- und Beamten-Klientel, die keinen Zugang zur Union findet, fühlt sich bei den Grünen wohler.

Weshalb das Französische Viertel in Tübingen zu 57 Prozent Grün wählte, das Freiburger Vauban-Viertel gar zu fast 73 Prozent. Ergänzt um die Stimmen für die SPD, so unkte die „Badische Zeitung“, seien das „fast schon nordkoreanische 85,3 Prozent“.

Da wird es eng für die SPD. Will sie doch noch eine Zukunft haben, wird sie Peer Steinbrücks Rat befolgen müssen. Der mahnte: „Die SPD wird lernen müssen, die Welt und die Gesellschaft neu zu interpretieren. … Das nationalstaatliche Wohlfahrtsmodell mag noch identitätsstiftend sein, reicht aber nicht mehr aus.“

Wie wahr!

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