Setzen, sechs!

Der Bund muss die Bildungspolitik machen

 
 

Eines vorneweg: Ich bin ein Betroffener. Ich habe zwei schulpflichtige Jungs, einer in der ersten, der andere in der vierten Klasse. Tagtäglich bekomme ich live die Auswirkungen der Bildungspolitik in Baden-Württemberg vor Augen geführt. Am liebsten würde ich sie verschließen. Denn es ist ein Desaster. Liebe Landesregierung: setzen, sechs! Lassen wir uns durch Pisa-Tests nicht täuschen.

Die Schüler sind über- oder unterfordert. Die Lehrer sind genervt, die Eltern frustiert. Egal ob an Grundschulen oder einer der anderen Schularten, nirgends läuft es rund. Und damit meine ich weniger die oft ­sanierungsbedürftigen Gebäude – mein Sohn hat die Stadtverwaltung per Brief darauf hingewiesen, dass Toiletten nach 30 Jahren Gebrauch einer Grundsanierung bedürfen. Eine Antwort ließ lange auf sich warten.

Darüber mag man schmunzeln. Doch das eigentliche Problem ist die Schulpolitik. Als Eltern hat man bei den Grundschülern das Gefühl, in der ersten Klasse geht es kaum voran, in der vierten wird der Stoff nur noch durchgepaukt. Das Mittelmaß wird gehätschelt. Die Guten? Die Schlechten? Fallen beide hintenrunter. Auch die Einführung des sogenannten G8 an Gymnasien ist misslungen. Und bei den Hauptschulen hat es die Landespolitik zugelassen, dass diese in den Schmutz gezogen wurden. Dabei war die Schulart berechtigt! Bis sie in die Schlagzeilen geriet. Nun ist sie eine Verliererschule. Und das neue Konstrukt Werk­realschule ist bereits zum Scheitern verurteilt. Insider sagen ganz treuherzig: Man wolle mit der Reform nur einige Jahre Zeit gewinnen.

Die Frage ist: Zeit wofür? Und haben wir diese Zeit noch? Nein. Demografie und Globalisierung sind hier nur als Stichworte genannt. Die Bildungspolitik entscheidet über unseren Wohlstand!

Ich gebe es offen zu: Ich habe auch kein Patentrezept. Aber wer sich umschaut, der entdeckt vielerlei Ansätze, die mindestens diskussionswürdig sind. Dazu gehört das längere gemeinsame Lernen ebenso wie die gezielte Förderung von Begabten. Nur: Ich habe nicht das Gefühl, dass eine Diskussion über die Schulpolitik gewünscht ist, dass Praktiker oder Eltern gefragt sind. Die Landesregierung entscheidet. Punkt. Ideologie kommt vor echten Bildungschancen.

Das Schlimme daran: Baden-Württemberg handelt nicht alleine so. In 16 Bundesländern gibt es 16 Schulgesetzgebungen. Ein Unding! Der Bund muss schnell die Hoheit über dieses Thema erhalten. Und in einem offenen Prozess die Eckpunkte abstimmen. Nur dann können wir unseren Wohlstand sichern. Und wir ­Eltern sind nur noch über die Noten unserer Kinder frustriert.

Teilen auf

NO!