Griechische Verhältnisse

Wir schauen in den Süden und wundern uns. So weit müssen wir aber gar nicht blicken. Meint econo-Herausgeber Klaus Kresse und denkt an Hartz IV und den Länderfinanzausgleich

 
 

Geben ist seliger denn Nehmen? Mag ja sein. Aber Nehmen macht mehr Spaß. Also weg mit dem hehren Jesus-Wort! Man melke, wo man melken kann.
So funktioniert das in der Bundesrepublik Deutschland.

Beispiel Soziales. Unglaublich, mit welcher Chuzpe von Linken und Gewerkschaftern immer wieder das Ammenmärchen mit der Umverteilung von unten nach oben erzählt wird. Von unten nach oben gibt es nichts umzuverteilen. Weil unten nichts zu holen ist.

Andersherum wird ein Schuh draus. Von den gut 300 Milliarden Euro, die der Bund 2011 ausgeben wird, fließen mehr als 131 Milliarden in den Topf „Arbeit und Soziales“. Damit leben wir ständig über unsere Verhältnisse und müssen immer neue Kredite aufnehmen. Weshalb die Position „Bundesschuld“ mit 37,2 Milliarden im Ausgaben-Ranking gleich auf Platz zwei zu finden ist.

Nun steht es einem Wohlstandsland ohne Frage gut an, wenn unverschuldete Not gelindert wird. Das muss in Deutschland möglich sein. Aber es passt nicht zusammen, dass wir ein Heer von Langzeitarbeitslosen finanzieren, aber selbst Arbeitsplätze mit eher schlichten Anforderungen nicht besetzt werden können. Nur zwei Belege: Die Landwirtschaft käme ohne Arbeitskräfte aus dem Osten nicht aus. Und für deutsche Kreuzfahrtschiffe muss fast das ganze Service-Personal in Fernost rekrutiert werden. Ganz so, wie der US-Journalist Don Jordan verwundert anmerkte: „Ihr Deutsche habt Millionen Arbeitslose – aber ich sehe nicht einen Schuhputzer.“

So tickt nicht nur die Hartz-IV-Welt. Auch in den Höhen der Republik verstrahlt das Jesus-Wort von der Seligkeit des Gebens nur wenig Charme. Bestes Beispiel: der Länderfinanzausgleich.

Der war hübsch gedacht, mutierte aber schnell zu einem perversen System. Nach unserem Grundgesetz soll „die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen“ werden. Der Teufel steckt, wie oft, im Detail – hier also im scheinbar harmlosen Wörtchen „angemessen“.

Ist es angemessen, wenn der Vertreter eines zahlenden Bundeslandes Holzklasse fliegt, während sich sein Empfängerland-Kollege frech in der ersten Klasse rekelt? Ist es angemessen, wenn sich saarländische und Berliner Politiker bei ihren Wählern mit kostenlosen Kita-Plätzen einschmeicheln, mit einem Luxus also, den die zahlenden Länder Bayern und Baden-Württemberg in diesem Umfang nicht bieten können?

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – vom Verzicht auf Studien­gebühren bis zur Tricky-Deutung des Begriffs „Investition“.

Um das zu verstehen, müssen wir ins Jahr 1969 zurückblicken. Damals wurde im Grundgesetz die erste Schuldenbremse verankert. Fortan galt, dass Schulden nur so hoch sein dürften wie die Investitionen. Mit Investitionen waren damals Projekte gemeint, die späteren Generationen zugute kommen: zum Beispiel Schulen, Bahnstrecken oder Flughäfen.

Hannelore Kraft (SPD), die neue NRW-Regierungschefin, sieht aber auch den laufenden Schulbetrieb als Investition an. In anderen Bundesländern wird sogar die Schulung von Verwaltungsleuten als Investition verbrämt. Weshalb die „Süddeutsche Zeitung“ vom „griechischen Stil in Düsseldorf“ spricht und warnt: „Sparen ist gefährlich, Geld ausgeben nicht.“

Es geht auch anders. Sachsen investiert mit Geld aus dem Finanzausgleich tatsächlich in die Infrastruktur und bezahlt damit nicht etwa Kindergärtnerinnen. Der Lohn: Sachsen muss eine Milliarde weniger Zinsen zahlen als andere Bundesländer im Osten.

Und sonst? 2011 werden viele Landtage gewählt. Vielleicht ist der Hinweis hilfreich, dass unionsgeführte Länder wie Sachsen (2285 Euro Schulden pro Kopf), Bayern (3391) und Baden-Württemberg (6052) erkennbar verantwortungsvoller haushalten als SPD-geführte Stadtstaaten wie Berlin (17?527) und Bremen (26?021 Euro pro Kopf).

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