„Es zählt nicht das billigste Angebot“

Finanzthemen und Mittelstand sind eine schwierige Paarung. Das Start-up Finmatch denkt deshalb Finanzierungsprojekte neu und hat eine Art Dating-Plattform geschaffen. Das Konzept stammt von Martin Hipp – als ehemaliger Finanzvorstand kennt er die Anforderungen aus dem Effeff

 
Foto: Jigal Fichtner für econo
 

Stuttgart. Martin Hipp fühlt sich offenkundig wohl. Der drahtige 52-Jährige empfängt den Besucher lächelnd mitten im kurzen Flur des Büros der Finmatch im fünften Stock eines gesichtslosen Gebäudes am Stuttgarter Rotebühlplatz. Um ihn herum herrscht die typische progressive Betriebsamkeit eines Start-ups ein vielstimmiges Gewusel zwischen angeschnittenem Kuchen in der offenen Küchenzeile, Kundenmeetings und Strategieabstimmungen. Dem Gründer und Vorstand Hipp gefällt es so: "Das ist doch eine perfekte Atmosphäre - lieber kreative Betriebsamkeit als Grabesstille!"

Dazu muss man wissen: Hipp könnte es auch anders haben. Immerhin war er jahrelang für die Finanzen des Maschinenbauers Manz aus Reutlingen verantwortlich, hat den Börsengang 2006 vorbereitet, war Finanzchef, bevor er sich 2016 entschied "noch mal ganz neu anzufangen". Hipp begleitete dann noch den Einstieg eines Investoren aus China, bevor er nach eigener Aussage "im besten Einvernehmen" Anfang 2017 sein damaliges Büro verlassen hat. Überhaupt hat Hipp seine bisherigen Berufsjahre immer in Schlüsselpositionen bei größeren Mittelständlern verbracht, hat Unternehmen mit aufgebaut, aber auch Restrukturierungen begleitet oder das Controlling eingeführt, immer mittendrin und mit Vollgas. Ergo könnte er es eben auch anders haben, irgendwie höher, schneller, weiter.

Wollte er aber wie gesagt nicht. "Ich habe bewusst ein halbes Jahr Pause gemacht", betont Hipp. Erst danach hat er sich allmählich mit seinen neuen Möglichkeiten beschäftigt: "Dabei hat mich der Neuanfang im eigentlichen Sinne gereizt, also ein Unternehmen von der Idee an aufzubauen." Ende 2017 zeichnete sich dann eine Idee für diesen Neubeginn ab: Etwas rund um das Thema Finanzierung mit Fokus auf den Mittelstand sollte es sein. ?

Nach reichlich Vorbereitung, der Suche nach Investoren und Partnern sowie mit Unterstützung der Rem Capital aus Stuttgart hat Hipp die Idee schließlich in die Tat umgesetzt: Vereinfacht gesagt kümmert sich Finmatch um Finanzierungsprozesse bonitätsstarker Mittelständler, bringt - Neudeutsch matcht - Unternehmen und Banken zusammen. Das alles mit soviel Digitalunterstützung auf der dazugehörigen Online-Plattform wie nötig und möglich, aber begleitet von echten Finmatch-Mitarbeitern.

Damit hebt sich das Start-up ab von anderen Fintechs ab, wie sie in und um Stuttgart zu finden sind. Beispielsweise das "Finnovativste Start-up 2018" der Fintech-Days Stuttgart: Macato. Die GmbH bietet Instant-Payment-Dienste in Verknüpfung mit Blockchain - ergo Hightech in Reinkultur. Oder Loanbox, die Darlehensanfragen mit wenigen Klicks online Peer-to-Peer und ohne Banken ermöglicht. Oder Axon Insight aus dem Gründerumfeld der vom GFT Konzern bereitgestellten "Code_N_Spaces": Die Ausgründung der Axon-Gruppe liefert Big Data-Analysen rund um den Bestandsdaten von Banken und Versicherungen. In Summe alles Geschäftsmodelle, die eher sperrig zu erklären und für Laien herausfordernd zu verstehen sind.

Der Gründer Hipp setzt bei seiner Finmatch einen anderen Fokus: er denkt die Prozesse vom Kunden, sprich dem Mittelstand her. Der beschäftigt sich ohnehin nicht gerade bevorzugt mit Finanzthemen und eher selten werden Kreditanfragen auch an Institute abseits der Hausbank gestellt. "Überhaupt hat unsere Zielgruppe kein Personal, das sich ausschließlich mit Finanzierungsthemen beschäftigt. Wir dagegen haben die notwendige Kompetenz", zeigt sich Hipp selbstbewusst.

Also nimmt das Team von Finmatch den Kunden ab, was möglich ist: Im Portal werden die notwendigen Daten und Fakten rund um eine Finanzierung standardisiert aufbereitet und geprüft, bevor sie auf der eigenen Plattform möglichen Kreditgebern anonym bereitgestellt werden. Damit beginnt eine Art Dating rund um Finanzierungen: Die Partnerbanken von Finmatch wie Volksbanken, Sparkassen und andere Institute oder ganz neu der L-Bank im Bereich der Fördermittel geben zu den Anforderungen ein Angebot ab. Hipp: "Am Ende empfehlen wir aber dem Kunden nicht das billigste Angebot, sondern machen transparent, welches für ihn unter verschiedenen Gesichtspunkten was für Vorteile bietet." Durch die konsequente Vorbereitung verspricht Hipp die Bearbeitung der Finanzanfrage im Schnitt innerhalb von zehn "Bankarbeitstagen" - normal sind bis zu drei Monate. "Wir haben eine komplexe Flugzeugfinanzierung auch schon in sieben Tagen realisiert", ist Vorstand Hipp von seinem System überzeugt.

Die Idee hinter Finmatch scheint also praxistauglich. Aber wird es auch angenommen? Mit konkreten Zahlen hält sich Hipp zurück. So viel lässt er raus: Ohne Werbung zu machen hat Finmatch allein durch Empfehlungsmarketing in den ersten Monaten Finanzierungen im niedrigen dreistelligen Millionenbereich ins eigene Portal eingestellt - bis Ende 2019 soll der Betrag im "deutlich dreistelligen Bereich" liegen. Das wiederum könnte Finmatch bereits in diesem Jahr eine schwarze Null ermöglichen, in 2020 erwartet Hipp dann beim Gewinn den Durchbruch. Bei den Finanzierungen will Hipp pro Jahr "deutlich zweistellig wachsen", die Zahl der Mitarbeiter soll dann schrittweise in den kommenden Jahren von aktuell sieben auf "sinnvolle 20" steigen.??

Eine Exitstrategie, also den lukrativen Ausstieg per Übernahme, strebt Gründer Hipp indes nicht an. Vielleicht könnte es "irgendwann mal einen Börsengang geben", aber mit den Investoren sei generell ein nachhaltiges Wachstum vereinbart, nicht ein schnelles. Kein Wunder also, dass sich der Ex-Finanzchef in seiner neuen Rolle als Start-up-Vorstand wohl fühlt: Er kennt nun den Unterschied zwischen der Betriebsamkeit einer Gründung und der Hektik in Konzernen.

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