Die Causa Hess

Vor fünf Jahren ging der Leuchtenhersteller spektakulär pleite. Die Bilanz nach dieser Zeit fällt gemischt aus: Die Insolvenzverwalter hadern, sprechen vom "Versagen des Rechtsstaates" und haben aktuell einen Prozess verloren. Andererseits gibt es auch Grund zur Hoffnung

 
Foto: wer
 

Villingen-Schwenningen. Mitte Februar 2013 überschlugen sich die Ereignisse – aus dem Vorzeigeunternehmen Hess wurde per Ad-hoc-Meldung ein Sanierungsfall. Nur vier Monate nach dem Börsengang. Von Bilanzmanipulationen war die Rede. Die Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler waren zu dem Zeitpunkt schon drei Wochen ausgetauscht.

Es tobte eine muntere Schlammschlacht zwischen der ehemaligen Eigentümerfamilie Hess, dem neuen Vorstand und den Investoren von HPE. Die Öffentlichkeit verfolgte das Treiben ungläubig – es gab sogar die Initiative, per Aktienkauf das alteingessene Unternehmen zu retten. (lesen Sie hier die Entwicklung in unserem Dossier noch einmal nach).

Erst allmählich kam ans Licht, wie das Unternehmen sich über Jahre hinweg immer wieder Geld beschafft hatte. Wie kleinste Aufträge dank geschicktem Marketing zur großen Sache wurden. Das Ziel war dabei klar: Hess sollte zum Design- und Technologieführer der Leuchtenbranche werden! Dafür war offenbar jedes Mittel recht. So gab es ein weitverzweigtes Netz an Unternehmen, eine "Schattenwelt", die dank Rechnungsstellungen den Umsatz erhöhten.

Wie die Vorstände Hess und Ziegler es schafften, die Geldgeber immer wieder zu überzeugen? Zudem einen spektakulären Börsengang hinzulegen?

Die Insolvenzverwalter Volker Grub und Martin Mucha haben im Econo-Interview (hier finden Sie das ausführliche Interview) dazu eine klare Haltung: "Das waren wirklich hervorragende Blender! Denen ist es bezogen auf den Börsengang gelungen, für wenige Monate den Eindruck einer hochinnovativen Firma zu vermitteln. Darauf haben sie alles ausgerichtet."

Insgesamt fällt die Bilanz des Duos fünf Jahre nach der Insolvenz gemischt aus: Da ist auf der einen Seite das Kerngeschäft, das unter dem Namen Hess als Teil der Nordeon-Gruppe heute wieder erfolgreich Leuchten und Stadtmobiliar entwickelt, produziert und vermarktet.

Und da sind die Fakten rund um die Insolvenz: Laut Grub erreicht die Insolvenzquote 15 Prozent, sieben Prozent sind bislang ausgeschüttet worden – die Schulden der AG haben sich am Ende auf 100 Millionen Euro angehäuft.

Auf der anderen Seite gibt es die juristische Aufarbeitung, die allenfalls stockend verläuft. Nach vier Jahren gib es aktuell ein erneutes Urteil im Sinne des früheren Aufsichtsrates Jürgen G. Hess. Er hatte 2,4 Millionen Euro zur Insolvenztabelle angemeldet, will darauf die Quote ausbezahlt haben. Das Landesarbeitsgericht gab ihm recht, allerdings prüft Grub noch erneute Rechtsmittel.

In diesem Sinne ziehen sich aktuell noch zwei weitere Prozesse der Insolvenzverwalter gegen die ehemaligen Hess-Vorstände sowie einer des Investors HPE ebenfalls gegen die Vorstände seit mehreren Jahren hin. Und der eigentliche Strafprozess gegen Hess und Ziegler ist ebenfalls nicht absehbar – dabei wäre er das Herzstück in der Aufarbeitung der Causa Hess! Die zuständige Wirtschaftskammer am Landgericht Mannheim sieht sich aktuell aufgrund von Überlastung nicht in der Lage, über die Anklage zu entscheiden.

Grub und Mucha haben dazu eine klare Meinung: "Es ist das große Versagen unseres Rechtsstaates, dass die Justiz auf allen Ebenen nicht richtig ausgestattet wird!"

Immerhin sind beispielsweise Handwerker, die Nutznießer des Systems Hess gewesen waren, längst per Strafbefehl oder Prozess abgeurteilt worden. Die eigentlichen Protagonisten der Causa Hess hingegen warten auf den Prozess. Und Peter Ziegler als ehemaliger Hess-Finanzvorstand arbeitet aktuell offensichtlich wieder als Vorstand, jetzt bei einem Unternehmen in Berlin, das eine durchaus auffällige Historie aufweisen kann. Doch gilt natürlich auch für ihn bis zu einem Urteil die Unschuldsvermutung.

Auch angesichts dieser Personalie urteilt Anwalt Mucha aufgrund des "Staatsversagens" scharf: "Diese Hängepartie ist für alle Seiten unwürdig."

Das vollständige Interview mit den Insolvenzverwaltern finden Sie hier.

Übrigens: Hier lesen Sie ein Porträt der Insolvenzverwalter-Legende Volker Grub.

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