Der alte Mann und das Licht der Sonne

Wolfgang Endrich hat einen der führenden Distributoren für elektronische Bauteile aufgebaut. Jetzt könnte er sich zurücklehnen, den Ruhestand genießen. Doch mit Anfang 80 hat er lieber neu gegründet: mit der Eurolighting will er eine Lichtrevolution auslösen – auf einem gesättigten Markt

 
Foto: Jigal Fichtner für econo
 

Die kurze Wartezeit auf seinen Gesprächspartner hätte Wolfgang Endrich auch anders nutzen können. Doch dafür ist er viel zu neugierig. Also macht er einen kleinen Spaziergang, inspiziert die Stände bei dieser Technikmesse in Südkorea näher. "Da bin ich das erste Mal auf diese besondere LED-Leuchte gestoßen", erinnert sich Endrich. Das war vor vier Jahren, inzwischen hat sich aus diesem Zufallsfund ein neues Geschäftsfeld für den umtriebigen Unternehmer entwickelt: Mit Eurolighting rollt er gerade den Markt für Licht auf – mit einem LED-Leuchtmittel, das Sonnenlicht in jeden Raum bringen soll.

Richtig gelesen, Sonnenlicht. "Ich habe zunächst auch große Augen gemacht, als ich die LED an dem Stand gesehen habe", schmunzelt Endrich. Und während er geübt seine Zigarre erhitzt fügt er an: "Das Thema hat mich sofort fasziniert."

Denn dem Geschäftsführer kam eine Beobachtung in den Sinn: "Meine Frau ging beim Einkaufen mit Blusen oder Kleidern im Geschäft immer an die Fenster." Denn die bisherigen Leuchten verfälschen die Farben, an der Sonne schaut alles anders aus. Endrich war also fasziniert von dem Fund, hat sich richtiggehend in das Thema eingearbeitet. Und so erfüllen schon kurz nach Gesprächsbeginn Fachworte und Fallbeispiele sein Büro. Kurz gesagt: Der Zusammenhang zwischen Sonnenlicht und Gesundheit ist bekannt, und in vielen Ländern weltweit laufen aktuell Forschungen, welche positiven Auswirkungen das Sonnenlicht auf den Körper generell hat und wie es sich auf Krankheiten auswirken kann.

Hinzu kommt: Während unsere Vorfahren als Handwerker und Bauern die meiste Zeit des Tages im Freien verbracht haben und ergo reichlich Sonne tanken konnten, sind wir heute meist im Innern von Gebäuden. Bei künstlichem Licht. "Und unsere heutigen LED-Leuchten emittieren eigentlich eine ungünstige Wellenlänge", fasst Endrich die Ausgangslage aus seiner Sicht zusammen. Eine Erkenntnis, die ihm nach 40 Jahre der Beschäftigung mit dem Leuchtmittel, nicht leicht gefallen ist.

Dazu muss man wissen: Endrich hat zusammen mit seiner Frau Ursula mit der Endrich Bauelemente einen der  führenden Spezial-Distributoren für elektronische Bauelemente in Europa aufgebaut. Die Wurzeln reichen bis ins Jahr 1976 zurück – damals war Elektronik noch ein Thema für Nerds. Entsprechend viel Fachwissen hat Endrich in den Jahrzehnten aufgebaut. Und er hat sich die Neugierde für das Thema bewahrt – obschon er die Geschäftsführung an seine Tochter Christiane Endrich übergeben hat. 

Doch zurücklehnen ist nichts für den Zigarrenliebhaber. Lieber gründete er mit Anfang 80 neu: Mit der Eurolighting vermarktet er jetzt eben das Sonnenlicht aus der LED-Leuchte.

Und wie gesagt hat er sich sehr tief in die Materie eingearbeitet. Flugs greift der LED-Pionier zu Stift und Papier, zeichnet schematisch zwei Graphen zwischen die gestrichelten X- und Y-Achsen. Einer zeigt die Verteilung des Sonnenlicht innerhalb des Spektrums an sichtbarem Licht. Ein anderer das Spektrum, das von einer gewöhnlichen LED emittiert wird. Selbst der Laie sieht: Das ist nicht deckungsgleich. Endrich: "Vereinfacht gesagt ist der Blauanteil zu hoch, dafür der Rotanteil zu gering."

Damit war die Ausgangslage für den Unternehmer klar: "Die positive Wirkung von Sonnenlicht ist bekannt, aber den Zusammenhang erfasst und daraus ein Produkt gestaltet, das hat bislang niemand gemacht." Selbst der Koreaner auf der Messe hat seine Leuchten nur dank einer Krücke bauen können: Er hat drei LED genommen, deren Farben sich entsprechend ergänzten. "Das war aus mehreren Punkten aber nicht ideal", so das Urteil des Fachmanns Endrich. Also hat er selbst Geld in die Hand genommen, ist Kooperationen eingegangen, hat Forschungen angestoßen, damit neue Phosphormischungen als Ausgangsmaterial für die LED angesetzt werden.

Inzwischen ist das breite Engagement tatsächlich im Wortsinne sichtbar: "Unsere LED deckt bis zu 98 Prozent des Spektrums des Sonnenlicht ab." Um auszuprobieren, ob sich das auch positiv auf Menschen auswirkt, hat der Nagolder gleich mal hunderte Leuchten verschenkt, an normale Menschen, an befreundete Unternehmer: "Die Rückmeldungen waren äußerst positiv!" Das Licht werde als angenehmer empfunden; man erkenne Farben und Schrift besser. Aktuell sei zudem die Landwirtschaft auf die positive Wirkung dieser Sonnenlicht-Leuchte aufmerksam geworden. Entsprechende Projekte mit Hochschulen sind angelaufen.

"Soweit alles richtig gemacht", freut sich der Unternehmer, zieht an der Zigarre und blickt sein Gegenüber direkt an: "Doch jetzt geht die Arbeit erst richtig los: Wir müssen einen eigentlich besetzten Markt mit den positiven Effekten unserer LED-Leuchten durchdringen. Das ist echte Schwerarbeit!" Man merkt Wolfgang Endrich an, wie sehr er sich darauf freut. Schließlich ist er neugierig darauf, wie sich sein Zufallsfund von der Messe in Korea nun bewährt.

Übrigens: In unseren Dossier "Gründer-Szene" finden Sie immer wieder interessanten Storys über Start-ups aus dem Land.

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