Daimler (un)plugged

Daimler und Bosch rücken zusammen. Gemeinsam wollen sie Elektromotoren bauen. Die Branche ist radikal im Umbruch.

 
Foto: Daimler
 

Stuttgart. Das Zitat schlug in der Branche ein wie eine Bombe. „Wir müssen in Zukunft Mobilitätskonzepte verkaufen und nicht nur Autos“, sagte Winfried Kretschmann, der designierte erste grüne Ministerpräsident im Autoland Baden-Württemberg. Es müsse weniger und umweltfreundlichere Autos geben.

Kretschmanns Forderung kam nur wenige Tage nachdem der Stuttgarter Autokonzern Daimler und der weltgrößte Zulieferer Bosch die Gründung eines Joint Ventures für die gemeinsame Entwicklung und Produktion von Elektromotoren ankündigten. Die Produktion soll schon im kommenden Jahr starten und Autos von Mercedes und Smart mit den neuen Motoren ausgerüstet werden.

Bündnisse zwischen Zulieferer und Autobauer sind weit verbreitet, wenn es um die Zukunftsmärkte im Automobilsektor geht: Motoren, Batterien, Carbon. Genau das ist aber ein radikaler Umbruch. Denn bei den klassischen Verbrennungsmotoren arbeiteten gerade die Premiumhersteller kaum mit anderen Firmen zusammen. Der Motor galt als Herzstück und neben dem Design auch als klassisches Unterscheidungsmerkmal zur Konkurrenz.

Daimlers Konkurrent VW behält diese Linie auch bei den Elektromotoren bei. Motoren, Batterien und die entsprechende Steuerungstechnik – all das ist für die Wolfsburger absolute Kernkompetenz. Bei Toyota sieht man das genauso.

Warum aber nicht bei Daimler? Ist es nicht ein Armutszeugnis, wenn ein deutscher Premiumhersteller einen Elektromotor nicht mehr selbst entwickeln und produzieren kann? „Es ist unsere grundsätzliche Strategie, dass wir uns den Zugriff auf Schlüsseltechnologien sichern“, sagt Daimler-Sprecher Matthias Brock dann. „Bosch hat das Know-how für den Elektromotor und wir haben das Know-how, den Motor in das Auto zu integrieren und mit den anderen Systemen zu vernetzen.“ Diese Aussage verwundert schon, schließlich heißt es in der Presseerklärung von Daimler und Bosch gleichzeitig, „Daimler kann mittlerweile auf eine 20-jährige Erfahrung auf dem Gebiet der Elektrofahrzeuge sowie deren Schlüsselkomponenten Elektromotoren und Batterien zurückblicken“.

Und dann hat Bosch auch noch das Recht, den gemeinsam entwickelten Motor unter seinem Namen künftig auch an Dritte, das heißt an andere Fahrzeughersteller, zu verkaufen. Geht Daimler damit also gerade das Herz verloren? „Nein“, beschwichtigt Brock. „Das Auto wird ja nicht nur über den Motor charakterisiert.“ Vor gar nicht allzu langer Zeit klang das noch ganz anders.

Die Kooperation mit Bosch ist keineswegs Daimlers einziges Joint Venture beim Thema Elektromobilität. Zusammen mit der RAG-Tochter Evonik knüpfte der Konzern im Jahr 2008 die strategische Allianz Li-Tec zur Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien. Beide Firmen stiegen mit dem Joint Venture Deutsche Accumotive auch in die Produktion ein. Im sächsischen Kamenz entstand ein riesiges Werk für die Batterien, die für die Produktion von Elektroautos enorm wichtig sind: Es ist Europas größtes Werk für Lithium-Ionen-Zellen.

Das Pikante daran: Mit Li-Tec und der Deutschen Accumotive steht Daimler in direkter Konkurrenz zu Bosch, das ein gleichgerichtetes Joint Venture mit Samsung unterhält. „Für uns ist das kein Problem“, sagt Bosch-Sprecher Udo Rügheimer. Er sieht darin auch keine Belastung für die künftige Zusammen­arbeit beim Motor.

Allein die Größe von Daimlers und Evoniks Batterie-Werk zeigt, wohin die Reise geht. Drei Millionen Zellen jährlich sollen bald vom Band laufen, rund zehn Mal so viele wie bisher. Ein Elektroauto braucht etwa 100 davon. Wie bei den Motoren ist auch hier geplant, dass Dritte diese Batterien zukaufen können. „So kommen wir schneller auf große Stückzahlen“, erklärt Daimler-Sprecher Brock.

Daimler hat es eilig. Ein Aspekt dabei könnte auch sein, dass Daimlers Flotte noch sehr hohe Werte bei den CO2-Emissionen aufweist. Ab 2012 darf der Flottendurchschnitt nur noch bei 130 Gramm pro Kilometer Kohlendioxid liegen. Daimler rechnet jedoch derzeit mit einem Schnitt von 160 Gramm. Die Folge: eine Strafzahlung für den Konzern von bis zu 2,1 Milliarden Euro. Da kämen ein paar emissionfreie Autos mehr in der Flotte gerade recht, um das Bußgeld zu senken. Daimler rechnete aus, dass bei 50?000 verkauften Elektroautos schon nur noch 115 Millionen Euro Strafe fällig wären.

Aber wie realistisch ist diese Zahl? Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen fand anhand der Produktionsplanungen der Autobauer heraus, dass weltweit rund 100?000 rein batteriegetriebene Fahrzeuge gebaut werden sollen. Die Hälfte davon will Nissan beisteuern. Der E-Smart kommt auf 1500 Einheiten.

Daimler-Sprecher Brock kündigte allerdings an, dass der E-Smart bereits vom kommenden Frühjahr an in Großserie gehen wird. „Wir reden dann von fünfstelligen Stückzahlen.“ Auch im Mercedes-Benz-Werk in Rastatt bereitet man sich auf die abgasfreie Zukunft vor. Hier sollen künftig in größeren Stückzahlen die Elektro-Versionen der A- und B-Klasse vom Band rollen.

Aber ist der Markt überhaupt schon bereit dafür? Im Jahr 2010, berichtet Auto-Professor Dudenhöffer, wurden in Deutschland gerade einmal 300 Elektroautos zugelassen. Immerhin: Hier ist der Smart von Daimler der Marktführer mit 150 Zulassungen. Für das Jahr 2025 rechnet der Duisburger Wissenschaftler allerdings mit jährlich 56 Millionen Elektro-Neuwagen weltweit.

Der deutsche Markt ist noch schwach, vielleicht weil viele Fragen noch offen sind. Gerade bei der Reichweite sehen viele potentielle Kunden noch zu große Beschränkungen. Auch wenn gerade das eigentlich nicht das Problem ist. Dudenhöffer fand nämlich heraus, dass der deutsche Durchschnittsfahrer pro Tag gerade einmal 40 Kilometer zurücklegt. Diese Strecke ist bereits mit den verfügbaren Batterien locker zu schaffen, die im Schnitt 150 Kilometer Reichweite haben – je nach Wetter. Doch für längere Fahrten taugen die Elektroautos bislang noch nicht. „Das Elektroauto ist nicht für die schwäbische Alb geschaffen“, sagt Dudenhöffer.

Auch der Preis ist das Problem. Derzeit sind Elektrofahrzeuge noch deutlich teurer als Autos mit Verbrennungsmotor. Den Preis zu reduzieren ist genau das Ziel des Joint Ventures zwischen Daimler und Bosch, erklärt Bosch-Sprecher Rügheimer. „Durch das Bündeln unserer Kräfte erwarten wir einen schnelleren und breiteren Marktzugang, einen schnelleren Anstieg der Stückzahlen, höhere Stückzahlen und damit entsprechend sinkende Kosten.“

Das dürfte dann auch Winfried Kretschmann freuen. In seinem Staatsministerium stehen ohnehin schon Elektroautos auf dem Hof. Natürlich von Daimler.

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