Autos sind ein Statussymbol – keine Dienstleistung

Der deutsche Kfz-Markt ist so groß wie nie und doch sind 100.000 Arbeitsplätze weg / Händlermesse in Freiburg

 
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Freiburg. Der deutsche Kfz-Markt ist so groß wie nie – und doch sind 100.000 Arbeitsplätze weg

Wohin steuert der deutsche Autohandel? Seit Jahren sagen Analysten den nahenden Untergang des klassischen Autohauses voraus. Doch dem Handel scheint es heute gut zu gehen. Die Absatzzahlen steigen, die Branche hat sich geordnet. Und auf der heute beginnenden Automesse in Freiburg werden wieder viele Autos verkauft – vor allem mit Verbrennungsmotor.

Sieben Jahre ist es her, dass die Unternehmensberatung PWC mit einer Studie die Branche aufwühlte. Die Kernthese damals: Es wird immer schwerer, Autos zu verkaufen. „Die Zahl der potenziellen Autokäufer sinkt in Deutschland bis 2020 um 1,5 Millionen“, hieß es damals. Heute kann man sagen: Das war falsch.

2019 wurden in Deutschland 3,6 Millionen Neuwagen verkauft, so viele wie lange nicht. Nur einmal in diesem Jahrtausend waren es mehr: 2009, dem Jahr der Abwrackprämie. Damals gab es 2500 Euro vom Staat, wenn man sein altes Auto gegen ein neues eintauschte. Eine Reaktion auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise. Knapp zwei Millionen Mal wurde die Prämie gezahlt. Doch im Folgejahr ging der Absatz um 30 Prozent zurück. 2013 – als die PWC-Studie geschrieben wurde – wurden dann zum zweiten Mal in vier Jahren weniger als drei Millionen neue Pkw verkauft. Nur vor dem Mauerfall waren die Zahlen regelmäßig niedriger. Diese Katerstimmung fing die Studie ein.

Tatsächlich sind die Verkaufszahlen nicht eingebrochen, sondern gestiegen – und das jetzt sechs Jahre am Stück. Autos werden mehr. Sie werden teurer. Einnahmen von Händlern und Werkstätten steigen. 2019 lag der Umsatz mit Neuwagen bei 73,4 Milliarden Euro. 20 Milliarden mehr als 2013. Die gesamte Kfz-Branche – also mit Werkstätten, Gebrauchthandel und Lkw-Verkauf – hat 2019 mehr als 186 Milliarden Euro eingespielt. So viel wie nie zuvor. Wie konnten die Experten so falsch liegen? 

„Wir sind davon ausgegangen, das Mobilität als Dienstleistung schneller Fuß fassen würde“, sagt Felix Kuhnert, einer der Autoren der PWC-Studie. Doch entgegen der damaligen Annahme sieht er den Autohandel auch in den nächsten Jahren stabil.

Die Autolobby bewertet die Aussagen der Berater heute entspannt. Wer verkauft, hat Recht. „So lange der Markt funktioniert wie er funktioniert, ist das ein gutes Zeichen“, sagt Ulrich Köster vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Der Verband hat Anfang Februar Bilanz gezogen. Fazit: Autos verkaufen sich immer noch. Damit auch Geld zu verdienen, wird deswegen aber nicht einfacher. Der durchschnittliche Verkaufspreis für einen Neuwagen ist 33.000 Euro. Aber die Umsatzrendite stagniert bei mageren 1,3 Prozent.

In einem anderen Punkt hat PWC Recht behalten: Der Druck auf die Händler ist größer geworden. Die Folge sind Zusammenschlüsse. Aus 7800 Autohändlern im Jahr 2013 sind weniger als 5000 geworden. Fast jeder hat mehr als einen Standort. Es gibt noch etwa 36.000 Betriebsstätten. 1997 hat das Kfz-Gewerbe 538.000 Mitarbeiter gezählt, heute 439.000. Die wirtschaftliche Bedeutung der Branche ist unbestritten, nur es weniger Menschen, die etwas davon haben. 100.000 Arbeitsplätze weniger, mehr als 20.000 Betriebsstätten sind vom Markt verschwunden. Der große Umbruch – Pleiten, Schließungen, Übernahmen durch Händlergruppen – fand in den Jahren um die Jahrtausendwende statt.

Doch was bedeutet das nun für die Freiburger Automesse? „Wir sind eine Verkaufsmesse“, sagt Messe-Chef Daniel Strowitzki. Rund 500 Fahrzeuge sollen auch dieses Jahr wieder an drei Messetagen verkauft werden, davon allein etwa 225 bei Ernst + König, dem größten Aussteller. Der Ford-Händler belegt eine der drei Hallen quasi allein, ist mit 125 Mitarbeitern vor Ort. Es werde noch viele Jahre dauern, bis der Strukturwandel komplett in den Autohäusern angekommen sei, sagt Geschäftsführer Peter König. „Autos sind erklärungsbedürftig.“ Er ist überzeugt: Kunden suchen immer noch den Händler vor Ort.

Neben der Struktur im Handel, gibt es einen zweiten Umbruch: den in der Antriebstechnologie. Und auch der fährt nicht mit Vollgas, jedenfalls wenn man den gesamten Markt betrachtet. Sicher: 2019 wurden gut 70 Prozent mehr alternativ angetriebene Autos in Deutschland zugelassen. Doch: 300.000 neue Autos mit Elektro- oder Hybridantrieb bedeuten einen Anteil an den Neuzulassungen von acht Prozent. Ein Umbruch sieht anders aus.

Interessant ist, dass der Anteil der Privatkunden immer kleiner wird. 1,2 Millionen Autos haben sie 2019 gekauft und damit geringfügig weniger als im Vorjahr. Firmenkunden legten um 15 Prozent zu, auch Autovermieter melden mehr neue Fahrzeuge an. Hersteller und Händler bringen es zusammen auf fast so viele Neuanmeldungen wie alle Privatleute. Etwa für Tageszulassungen, Vorführwagen und eigene Flotten, für die Belegschaft oder im Carsharing, wie etwa beim Waldkircher Autohaus Schmid, das unter dem Namen Grüne Flotte auftritt. Carsharing ist für viele der Inbegriff des Autos als Dienstleistung, nicht als Statussymbol. PWC-Experte Kuhnert sieht dieses Segment heute schon wieder auf dem absteigenden Ast. Mal sehen, was von dieser Aussage in sieben Jahren übrig ist?

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