Anbruch einer neuen Epoche

Im 150. Jahr des Bestehens haben Uhren von Junghans wieder eine Zukunft. Vor drei Jahren haben daran nur wenige geglaubt.

 
 

Schramberg. Vielleicht ist dieser eine Toilettengang tatsächlich entscheidend. Matthias Stotz macht sich dafür auf den Weg. Seit geraumer Zeit ziehen sich an diesem Tag im Herbst 2008 die Verhandlungen über die Zukunft der Uhrenfabrik Junghans hin. Das Unternehmen ist pleite. Die halsbrecherischen finanziellen Transaktionen der Muttergesellschaft Egana Goldpfeil haben dem Schramberger Traditionsunternehmen das Genick gebrochen.

An diesem Tag ist ein Neuanfang für Junghans möglich. Davon ist Geschäftsführer Stotz überzeugt. Deshalb verlässt er kurz den Raum, damit der Schramberger Unternehmer Hans-Jochem Steim und Insolvenzverwalter Georg Bernsau Ruhe bei der Absprache des Kaufpreises haben.

Stotz ist im Juli 2007 zu Junghans gekommen. Die Marke hat ihn gereizt. „Im Herbst gab es dann aber erste Anzeichen auf die bevorstehenden Turbulenzen, Händler wurden unruhig“, erinnert er sich. Damals werden die ersten Gerüchte über eine finanzielle Schieflage von Egana Goldpfeil veröffentlicht. Und Junghans ist über Abtretungen finanziell auf Gedeih und Verderb mit dem Mutterkonzern verbandelt. Bei einem Umsatz von 16,9 Millionen Euro im Jahr 2007 hat Junghans Verbindlichkeiten von 54,8 Millionen und einen Verlustvortrag von 59,2 Millionen angehäuft.

Das ist keine gute Situation.

Dabei ist Junghans zu diesem Zeitpunkt wieder auf einem guten Weg. Der frühere Glashütte-Ori-ginal-Geschäftsführer Heinz W. Pfeifer arbeitet kräftig am Imagewandel, Junghans soll wieder für Premiumqualität stehem. Denn Junghans ist zu diesem Zeitpunkt zwar als Marke bekannt, doch die Technik dahinter beliebig.

Dabei hat man in der Schramberger Geißhalde Wirtschaftsgeschichte geschrieben. 1861 gründen Erhard Junghans und sein Schwager Jakob Zeller-Tobler das Unternehmen. Es sind schwierige Zeiten: Die Schwarzwälder Uhrenhersteller erleben den ersten Strukturwandel. Die Produktionen sind nicht mehr zeitgemäß. Teilweise werden Zahnräder noch von Hand ausgesägt.

Die Konkurrenz, vor allem aus den USA, ist da längst weiter. Arbeitsteilung und Massenfertigung lauten die Zauberworte. Arthur Junghans hat das bei seinem dortigem Aufenthalt erlebt. Und es sich genau gemerkt.

Nach seiner Rückkehr stellt er die Produktion bei Junghans auf die neuen Bedingungen um. Mit Erfolg. Das Unternehmen steigt rasch auf, wird zur weltgrößten Uhrenfabrik mit Tausenden Mitarbeitern. Der ganze Schramberger Talkessel wandelt sich zur Junghans-Stadt.

Arthur Junghans ist im besten Sinne technik-affin: Kaum ist die Fotografie erfunden, setzt er sie für Werbezwecke ein. Kaum ist der Film erfunden, lässt er den ersten Werbefilm drehen. Auch der Automobiltechnik, genauer für die Lenkung, gibt Arthur Junghans wichtige Impulse. Weil sein Maybach genau an dieser Stelle krankt.

Dieser Vorsprung in der Technik bleibt über Jahrzehnte das Markenzeichen der Firma. Und doch wird die Marke ab Mitte der 1950er-Jahre nicht mehr richtig gepflegt. Was damit zusammenhängt, dass der Diehl-Konzern das Sagen hat: Der hat sich den Junghans-Sachverstand im Zünderbau für seine Wehrtechnik gesichert. Den Uhrenbau gab es obendrauf. Und der lief halt mit. Im Jahr 2000 kommt dann Egana ans Ruder.

Die Folgen sind bekannt.

Doch bis heute kennen 80 Prozent der Deutschen die Marke Junghans. Stotz: „Das ist unser Potenzial.“ Deshalb gibt er im Herbst 2008 den Übernahmeverhandlungen mit seinem Toilettengang einen besonderen Impuls.

Als er zurückkommt, sind sich  der Unternehmer Steim und Insolvenzverwalter Bernsau handelseinig. Der Kaufpreis? Dazu gibt es keine Antwort. Stotz verrät nur so viel: „Es war mehr als ein Euro. Die Vorräte und die Marke hatten einen großen Wert!“

Heute gehört Junghans Hans-Jochem Steim und seinem Sohn Hannes. Die haben das Unternehmen als Schramberger aus Nostalgie gekauft. Rechnen muss es sich trotzdem. Und das tut es. Zwar nennt Stotz keine Zahlen, doch klar ist: Der Umsatz im Rumpfjahr 2009 beläuft sich auf gut 20 Millionen Euro, das Ergebnis ist deutlich positiv. Wichtiger noch: „Wir konnten Kunden wie Wempe wieder für uns gewinnen“, so Stotz.

Bleibt nur die Frage, wie nachhaltig ist der neue Schwung? Junghans spielt wieder in der Premiumliga mit und da tummeln sich Firmen wie Lange & Söhne, Maurice Lacroix oder IWC. Die gehören zu weltweit agierenden Konzernen wie Swatch oder Richemond. Das schafft Marktmacht. Und birgt Risiken. Junghans hat das durchgemacht. Und kann nun unabhängig agieren. Für Stotz ist deshalb klar: „Das 150. Jahr des Bestehens markiert für uns den Aufbruch in eine neue Epoche.“

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